Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung; Frage der Geltung von Bestimmungen für die Lieferung von menschlichem Blut auch für die Lieferung von aus menschlichem Blut gewonnenen Blutplasma (Vorlagebeschluss an den EuGH)

 

Leitsatz (redaktionell)

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL dahingehend auszulegen, dass die Lieferung von menschlichem Blut auch die Lieferung von aus menschlichem Blut gewonnenem Blutplasma umfasst? 2. Falls die Frage zu 1 bejaht wird: Gilt dies auch für Blutplasma, dass nicht unmittelbar für therapeutische Zwecke, sondern ausschließlich zur Herstellung von Arzneimitteln bestimmt ist? 3. Falls die Frage zu 2 verneint wird: Kommt es für die Einordnung als Blut allein auf die getroffene Zweckbestimmung oder auch auf die abstrakt bestehende Verwendungsmöglichkeit des Blutplasmas an? 4. Falls die Fragen zu 1 und 2 bejaht werden: Führt ein Umsatz, der nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL innerhalb eines Mitgliedstaats von der Mehrwertsteuer befreit ist, ungeachtet der im Drittland anwendbaren Mehrwertsteuerregelung, zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach Art. 168 MwStSystRL, selbst wenn es sich um eine Ausfuhrlieferung handelt, für die nach Art. 169 Buchst. b MwStSystRL i.V.m. Art. 146 Abs. 1 MwStSystRL der Vorsteuerabzug eröffnet ist?

 

Normenkette

MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. d; UStG § 4 Nr. 17 Buchst. a

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist zum einen streitig, ob die Lieferung von Blutplasma zur Herstellung von Arzneimitteln eine steuerfreie Lieferung von Blut im Sinne von § 4 Nr. 17 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bzw. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) – darstellt oder grundsätzlich der Steuerpflicht unterliegt und deshalb zum Vorsteuerabzug berechtigt. Zum anderen ist streitig, ob – für den Fall, dass die Lieferung von Blutplasma zur Herstellung von Arzneimitteln steuerfrei ist – bei Lieferung des Blutplasmas in ein Drittland der Ausschluss des Vorsteuerabzugs gem.§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG i. V. m. § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG als speziellere Norm dem Vorsteuerabzug bei Ausfuhrlieferungen gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 UStG vorgeht.

Die Klägerin betreibt mehrere Blutspendezentren. Das den jeweiligen Spendern dort entnommene Vollblut wird zunächst auf Erkrankungen getestet und sodann durch Zentrifugieren in einzelne Blutkomponenten aufgetrennt:

  1. rote Blutkörperchen (Erythrozythen),
  2. Blutplättchen (Thrombozythen),
  3. Blutflüssigkeit (Plasma).

Die Blutkomponente „Plasma” wurde in den Streitjahren 2008 bis 2011 zu ca. 10 % als sogenanntes „Therapeutisches Plasma” unmittelbar bei der Heilbehandlung verwendet (z. B. zur Behandlung komplexer Gerinnungsstörungen). Zu ca. 90 % wurde das gewonnene Plasma jedoch als sogenanntes „Fraktionierungsplasma” als Ausgangsstoff für die Herstellung von Arzneimitteln verwendet.

Die Klägerin lieferte im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit u.a. Fraktionierungsplasma zum Zwecke der Herstellung von Arzneimitteln sowohl an Unternehmen im Gemeinschaftsgebiet (Italien und Österreich), als auch an Arzneimittelhersteller in der Schweiz.

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre behandelte die Klägerin diese Umsätze als steuerfrei und machte die mit diesen Lieferungen im Zusammenhang stehenden Vorsteuern geltend.

Der Beklagte versagte unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 7.12.2006 C-240/05 –Eurodental– (Slg. 2006, I-11479, ECLI:EU:C:2006:763) den Vorsteuerabzug mit der Begründung, die Lieferungen des Fraktionierungsplasmas ins übrige Gemeinschaftsgebiet bzw. ins Drittland seien sowohl nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG als innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG als Ausfuhrlieferung als auch nach § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG als Lieferung von Blut steuerbefreit. Da die in § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG normierte Steuerbefreiung als speziellere Vorschrift der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. Ausfuhrlieferungen vorgehe, sei der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, denn die Steuerbefreiungen ohne Vorsteuerabzug gingen den Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzug vor.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, die Lieferung von Blutplasma zur Herstellung von Arzneimitteln (Fraktionierungsplasma) stelle keine Lieferung von menschlichem Blut im Sinne der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL dar.

Für eine enge Auslegung des in § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG (bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) verwendeten Begriffs „Blut” dahingehend, dass Blutbestandteile nur dann steuerbefreit seien, wenn sie unmittelbar für therapeutische Zwecke erwendet würden, spreche zum einen die systematische Stellung der Steuerbefreiung für Blut im Kontext der Befreiungsregelungen...

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