Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Umsatzsteuerrückstände

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verfügt die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Steuerfälligkeit oder danach nicht über ausreichende Finanzmittel, um sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten einschließlich der Steuerschulden tilgen zu können, so handelt der Stpfl. als Geschäftsführer grob fahrlässig i.S.d. Haftungsnorm des § 69 Satz 1 AO, wenn er die vorhandenen Mittel nicht zu einer in etwa gleichmäßigen Befriedigung der (Umsatz-)Steuerschulden und der sonstigen Gesellschaftsverbindlichkeiten einsetzt.

2. Nach Auffassung des Senats führt die Geschäftsführerhaftung nach §§ 69, 34 AO für Umsatzsteuerschulden auch nicht dazu, dass die Insolvenzforderungen des Fiskus vorrangig gegenüber den Forderungen der anderen Insolvenzgläubiger befriedigt werden und es somit zu einer Verletzung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes kommt.

 

Normenkette

AO §§ 69, 34, 191 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner die Antragsteller zu Recht als Haftungsschuldner für Umsatzsteuerrückstände in Anspruch genommen hat.

Die Antragsteller sind Geschäftsführer der Firma X. GmbH, welche wiederum Komplementärin der Firma X. GmbH & Co. KG (X. KG) ist.

Mit Schreiben vom 08.12.2014 stellte die X. KG, vertreten durch die X. GmbH und diese wiederum vertreten durch ihre Geschäftsführer, die Antragsteller, einen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Q. vom 08.12.2014 wurde die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet und als vorläufiger Sachwalter Herr Rechtsanwalt N1. bestellt.

Mit Bescheiden vom 18.12.2014 wurden die rückständigen Umsatzsteuern für die Veranlagungszeiträume 2008-2011 der X. KG aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung festgesetzt. Die Umsatzsteuerrückstände für 2013 und die Voranmeldungsbeträge Oktober und November 2014 wurden erklärungsgemäß festgesetzt. Diese Rückstände wurden nicht bzw. nicht vollständig bezahlt, durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen blieben ohne Erfolg. Das Insolvenzverfahren wurde am 27.04.2015 eröffnet.

Mit Datum vom 16.11.2016 erließ der Antragsgegner jeweils einen Haftungsbescheid nach §§ 191 Abs. 1 i.V.m. §§ 69, 34 AO über 8.625,53 € gegenüber den Antragstellern für Umsatzsteuerrückstände der X. KG. Insgesamt belaufen sich die Umsatzsteuerrückstände auf 648.937,19 € zzgl. 30.347,00 € Säumniszuschläge, wegen der Zusammensetzung der Rückstände wird auf die Anlage 1 zum Haftungsbescheid verwiesen. Der Antragsgegner ging bei der Berechnung des Haftungsbetrages von einer Haftungsquote in Höhe von 5,88% aus, wegen der Berechnung der Haftungsquote und des Haftungsbetrages im Einzelnen wird auf die Anlage 2 zum Haftungsbescheid (Bl. 36 der Gerichtsakte) verwiesen. Als Beginn des Haftungszeitraums legte der Antragsgegner den 10.11.2014 fest, wobei er davon ausging, dass in der nicht rechtzeitigen Zahlung der Umsatzsteuervoranmeldung Oktober 2014 die erste Pflichtverletzung zu sehen sei.

Gegen den Haftungsbescheid legten die Antragsteller mit Schreiben vom 01.12.2016 Einspruch ein, zugleich beantragten sie dessen Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung trugen sie vor, dass mit Insolvenzantragstellung ein geändertes insolvenzrechtliches Pflichtenprogramm entstehe, wonach der Geschäftsführer Forderungen von ungesicherten Insolvenzgläubigern nur noch quotal bedienen dürfe. Steuerschulden dürften nicht vorrangig gegenüber sonstigen Verbindlichkeiten befriedigt werden, da diese keine betriebsnotwendigen Zahlungen darstellten.

Mit Schreiben vom 16.12.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Mit ihrem am 20.12.2016 beim Finanzgericht eingegangenen Antrag verfolgen die Antragsteller ihr auf Aussetzung der Vollziehung gerichtetes Begehren gerichtlich weiter.

Sie sind der Auffassung, dass die Haftung der Geschäftsführer mit Stellung des Insolvenzantrags bzw. der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung am 08.12.2014 ende. Zur Begründung dieses Standpunkts führen sie aus, dass für den Geschäftsführer bei bestehender Eigenverwaltung eine Pflichtenkollision bestehe, da der Geschäftsführer im Interesse aller Gläubiger auch zur Massesicherung verpflichtet sei und bei Verstößen nach § 64 Satz 1 GmbHG hafte. Zudem hafte ein Geschäftsführer nicht nach §§ 34, 69 AO, wenn – wie im Streitfall – eine widersprüchliche Rechtslage vorliege und von einer unverschuldeten Unkenntnis des Geschäftsführers über die zutreffende Rechtslage auszugehen sei.

Die Antragsteller beantragen,

  1. die Vollziehung der Haftungsbescheide des Antragsgegners vom 16.11.2016 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
  2. soweit die Aussetzung der Vollziehung gewährt wird, die Verwirklichung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.
  3. im Unterliegensfall die Beschwerde zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzul...

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