rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung der Steuerfestsetzung gegenüber Dritten gem. § 174 Abs. 4, 5 S. 1 AO nach Ablauf der Festsetzungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind nach irrtümlicher Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft die gegenüber einer GmbH ergangenen Nachforderungsbescheide (Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs aus Leistungen eines als Organträger angesehenen Einzelunternehmens) aufgrund der Einsprüche der GmbH zu deren Gunsten aufgehoben worden, können die steuerlichen Folgerungen hieraus gem. § 174 Abs. 4 S. 3 AO innerhalb eines Jahres auch bei dem als Organträger angesehenen Einzelunternehmer, der auch einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH ist, im Wege der Änderung seiner bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzungen gezogen werden.

2. Auch wenn der Einzelunternehmer formell nicht am Einspruchsverfahren der GmbH beteiligt und zum Zeitpunkt seiner Hinzuziehung bereits Festsetzungsverjährung bezüglich der Umsatzsteuer für sein Einzelunternehmen eingetreten war, kann der Einzelunternehmer keine schützenswerte Vertrauensposition als Dritter gem. § 174 Abs. 5 AO herleiten, wenn er als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH darauf hingewirkt hat, dass die Umsätze der GmbH, entgegen der ursprünglichen Handhabung nach der Betriebsprüfung, wieder der GmbH zugerechnet werden. Als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer hat er eine verfahrensrechtliche Position inne, die es ihm erlaubt hat, den Verlauf und den Ausgang des Einspruchsverfahrens der GmbH jederzeit wirksam zu beeinflussen (Abgrenzung zu BFH v. 5.5.1993, X R 111/91, BStBl II 1993, 817).

 

Normenkette

AO § 174 Abs. 4, 5 S. 1, § 359; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.02.2015; Aktenzeichen V R 28/14)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob den gegenüber dem Kläger erfolgten Steuerfestsetzungen die Festsetzungsverjährung entgegensteht.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren als Einzelunternehmer steuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb einer Landwirtschaft sowie aus der Verpachtung von Gebäuden und Anlagen des landwirtschaftlichen Betriebs an die X Handels GmbH (GmbH). Er war zu 51 % an der GmbH beteiligt und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Seine Ehefrau war zu 49 % an der GmbH beteiligt und ebenfalls einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin.

Die Umsätze des Klägers aus dem Betrieb der Landwirtschaft unterlagen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG). Seine Lieferungen an die GmbH wurden mit 9 % der Besteuerung unterworfen. Die Umsätze aus der Verpachtung unterlagen der Regelbesteuerung. Die in den gegenüber der GmbH ausgestellten Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge wurden von dieser als Vorsteuerbeträge abgezogen.

Nach einer beim Kläger und bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte (das Finanzamt) die Auffassung, dass zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und der GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft bestehe. Bei den Umsätzen zwischen dem Kläger und der GmbH handle es sich demnach um nicht steuerbare Innenumsätze mit der Folge, dass die GmbH nicht zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Klägers berechtigt sei und die Umsätze der GmbH dem Kläger als Organträger zugerechnet werden müssten (vgl. Prüfungsbericht betreffend den Kläger vom 29. Oktober 2008).

Das Finanzamt erließ deshalb am 9. Januar 2009 gegenüber dem Kläger Änderungsbescheide, mit denen es ihm für die Streitjahre insgesamt 542.096,– EUR Umsatzsteuer zzgl. Zinsen erstattete. Im Gegenzug wurde mit Änderungsbescheiden vom 20. Januar 2009 von der GmbH für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 672.165,– EUR zzgl. Zinsen nachgefordert.

Während der Kläger keinen Einspruch einlegte, legte die GmbH, die ebenfalls vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vertreten wird, gegen die Nachforderungsbescheide vom 20. Januar 2009 mit Schreiben vom 23. Februar 2009 jeweils Einspruch ein und beantragte eine Rückabwicklung der Organschaft.

Im Einspruchsverfahren einigte man sich nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage darauf, dass zwischen dem Kläger und der GmbH doch keine Organschaft vorliege (vgl. Geänderter Prüfungsbericht vom 5. Juli 2010 und Prüfungsbericht für die Jahre 2004 bis 2007 vom 12. Juli 2010).

Infolgedessen erstattete das Finanzamt der GmbH mit Änderungsbescheiden vom 7. September 2010 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 766.394,– EUR zzgl. Zinsen, nachdem der Kläger zuvor mit Bescheid vom 24. August 2010 gemäß § 174 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren der GmbH hinzugezogen worden war.

Anschließend erließ das Finanzamt gegenüber dem Kläger am 15. September 2010 nach § 174 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, mit denen für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 527.119,– EUR zzgl. Zinsen nachgefordert wurde.

Die gegen die Änderungsbescheide vom 15. September 2010 eingele...

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