Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerhinterziehung und Haftung des Geschäftsführers einer GmbH bei zu Unrecht für die GmbH in Anspruch genommenem Vorsteuerabzug für „Mindestlizenzgebühren” und unterlassener umgehender Berichtigung der Umsatzsteuervoranmeldung der GmbH

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat eine GmbH einen Lizenzvertrag über die Nutzung eines Patents zur Herstellung von bestimmten Produkten abgeschlossen und werden ihr im Hinblick auf die künftige Herstellung der Produkte bereits vor Aufnahme der Produktion auf Basis eines fiktiven, künftigen Verkaufs der Produkte „Mindestlizenzgebühren” in Rechnung gestellt, so liegt eine Rechnung vor, in der nicht über bereits erbrachte Leistungen oder Teilleistungen, sondern nur über einen Abschlag bzw. eine Anzahlung auf eine noch zu erbringende Leistung vor Ausführung der Umsätze abgerechnet werden soll und die die GmbH nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG 1999 erst dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Rechnung bezahlt wird.

2. Hat der Geschäftsführer der GmbH in einer Umsatzsteuervoranmeldung für die GmbH den Vorsteuerabzug hinsichtlich der – von der GmbH nicht bezahlten – Rechnung über die Mindestlizenzgebühren geltend gemacht und muss er spätestens kurz danach erkennen, dass das Patent tatsächlich nicht bestanden hat, es nicht zur Aufnahme der Produktion kommen wird, die GmbH nach der umgehenden Kündigung des Lizenzvertrags die Rechnung über die Mindestlizenzgebühren auch nicht mehr bezahlen wird und dass somit der Vorsteuerabzug für die Mindestlizenzgebühren zu Unrecht in Anspruch genommen worden ist, so ist er nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO zu einer umgehenden Berichtigung der Voranmeldung, in der er für die GmbH den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, verpflichtet. Korrigiert der Geschäftsführer den Vorsteuerabzug aber erst im Rahmen der Jahresumsatzsteuererklärung der GmbH, die bereits sechs Monate später erstellt, aber erst knapp zwei Jahre später beim Finanzamt abgegeben worden ist, und ist die zwischenzeitlich zahlungsunfähige GmbH nun nicht mehr zur Zahlung der sich durch die Vorsteuerkorrektur ergebenden Umsatzsteuerschuld in der Lage, so ist dem Geschäftsführer eine Steuerhinterziehung zugunsten der GmbH anzulasten, so dass er nach § 71 AO für die Umsatzsteuerschuld der GmbH haftet.

 

Normenkette

AO §§ 71, 191 Abs. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1, § 153 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.04.2013; Aktenzeichen V R 19/12)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Hauptsacheverfahren, ob der Kläger zu Recht für Abgabenschulden der ABCGmbH (nachfolgend GmbH) in Haftung genommen worden ist.

Der Kläger ist seit ihrer Gründung im Jahr 1997 Geschäftsführer der GmbH. Ein weiterer Geschäftsführer ist im Februar 2000 aus der Geschäftsführung ausgeschieden.

Gegenstand des Unternehmens der GmbH war im Streitjahr die Herstellung sowie der Groß- und Einzelhandel mit Elektronik, insbesondere des Produkts B, einer Vorrichtung zur Übertragung von Schall. Zur Herstellung dieses Produkts hatte die GmbH am 17. August 1998 mit der Firma XYZ GbR (nachfolgend GbR) einen Lizenzvertrag über die Nutzung eines der GbR gehörenden Patents abgeschlossen. § 10 Abs. 1 des Vertrages regelte die Zahlung von Lizenzgebühren, die in Abhängigkeit von der kumulierten Anzahl der verkauften Vertragsgegenstände gestaffelt erfolgen sollte. In § 10 Abs. 2 des Vertrages verpflichtete sich die GmbH als Lizenznehmerin, in den Jahren nach 1999 sog. „Mindestlizenzgebühren” für 500.000 Lizenzgegenstände an den Lizenzgeber zu zahlen.

Mit Rechnung vom 22. Dezember 2000 stellte die GbR der GmbH für das Jahr 2000 Mindestlizenzgebühren in Höhe von 1.750.000 DM zuzüglich 280.000 DM Umsatzsteuer in Rechnung. Am 12. Februar 2001 reichte der Kläger als Geschäftsführer der GmbH eine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2000 ein, in der Vorsteuern in Höhe von 280.763,19 DM geltend gemacht wurden, wovon 280.000 DM auf die Rechnung von der GbR entfielen. Am 20. Februar 2001 wurde der GmbH die geltend gemachte Vorsteuer vom damals zuständigen Finanzamt ausbezahlt.

Am 3. Februar 2001 stellte ein Patentanwalt gutachtlich fest, dass das von der GmbH in Lizenz erworbene Patent der GbR zu Unrecht bestand, am 2. März 2001 wurde der Lizenzvertrag durch die GmbH fristlos gekündigt. Die Forderung der GbR aus der Rechnung vom 22. Dezember 2000 wurde durch die GmbH nicht beglichen.

Am 10. Februar 2003 wurde beim Finanzamt eine Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2000 eingereicht (Erstellungsdatum 12. September 2001), in der der Vorsteuerabzug aus der Rechnung der GbR berichtigt wurde. Der mit Bescheid vom 21. Februar 2003 festgesetzte Rückforderungsanspruch des Finanzamts in Höhe von 143.161,52 EUR wurde von der GmbH nicht beglichen. Nach erfolglosen Vollstreckungsversuchen wurde am 17. September 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

Mit Urteil des Amtsgerichts N vom 26. Oktober 2004 wurde der Kläger ...

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