rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist. Krankheit als Wiedereinsetzungsgrund

 

Leitsatz (redaktionell)

Krankheit ist nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn dem Kranken wegen seines Zustandes nicht zuzumuten war, die Frist durch eigenes Handeln oder durch das Handeln eines Dritten zu wahren. Die Krankheit muss daher plötzlich und in einer Schwere auftreten, die es dem Steuerpflichtigen auch nicht mehr zumutbar ermöglicht, einen Dritten mit der Interessenwahrnehmung zu beauftragen.

 

Normenkette

FGO § 69; AO § 110 Abs. 1, § 355; BGB § 276 Abs. 2

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Klageverfahren, ob die Antragstellerin fristgerecht Einspruch gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung erhoben hat.

Mit Bescheid vom 22. November 2019 wurde die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind S, geboren am 04.08.1997, ab dem Monat Oktober 2017 aufgehoben. Zugleich wurde das für diesen Zeitraum bereits ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 4.476 EUR zurückgefordert. Die Aufhebung der Festsetzung wurde damit begründet, dass die Studienbescheinigungen ab dem Wintersemester 2017/18 nicht vorgelegt worden seien und daher nicht festgestellt werden könne, ob ein Anspruch auf Kindergeld bestehe.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2020 übersandte die Antragstellerin verschiedene Unterlagen, unter anderem die Studienbescheinigung ab dem Wintersemester 2017/18. Gleichzeitig entschuldigte sie sich für ihre verspätete Reaktion und begründete die fehlende Einlegung eines fristgerechten Einspruchs damit, dass sie aufgrund eines Arbeitsunfalls am 19. November 2019, bei dem sie sich unter anderem die rechte Hand gebrochen habe, nicht in der Lage gewesen sei, auf das Schreiben der Antragsgegnerin zu antworten. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 19. November 2019 bis 12. Januar 2020 legte sie dem Schreiben bei. Darüber hinaus habe die Tochter nach einer Operation infolge einer akuten Entzündung der Weisheitszähne im Zeitraum vom 27. Dezember 2019 bis 14. Januar 2020 intensiv von ihr betreut werden müssen. Eine ärztliche Bescheinigung für eine Behandlung der Tochter am 7. Januar 2020 und eine Krankheitsbescheinigung für den Zeitraum 11. Januar 2020 bis 14. Januar 2020 legte sie ebenso bei.

Der Einspruch wurde als unzulässig verworfen (Einspruchsentscheidung vom 24. März 2020).

Dagegen erhob die Antragstellerin Klage (Az. 7 K 830/20), über die das Gericht noch nicht entschieden hat und stellte einen Antrag auf AdV.

Die Antragstellerin beantragt,

die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 22. November 2019 in Höhe von 4.476 EUR rückwirkend ab Fälligkeit.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Ablehnung des Antrags.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 24. März 2020, die Akten und die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist unbegründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundesfinanzhof – BFH-Beschluss vom 26. Mai 2010 V B 80/09, BFH/NV 2010, 2079).

Die Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ergeht wegen der Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde und präsenten Beweismitteln ergibt (BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116).

Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809, m.w.N.).

Im Streitfall hat der Antragsgegner den von der Antragstellerin gegen den Kindergeldaufhebungsbescheid vom 22. November 2019 eingelegten Einspruch zu Recht als unzulässig abgewiesen. Unstreitig wurde der Einspruch nicht innerhalb der vierwöchigen Einspruchsfrist nach § 355 Abgabenordnung (AO) erhoben. Gründe, nach denen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren ist, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.

Nach § 110 Abs. 1 AO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist ein...

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