Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienexistenzminimum 1999 und Kürzung des Vorwegabzugs

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Im Streitjahr (1999) hat der Gesetzgeber die notwendige steuerliche Freistellung des Familienexistenzminimums durch das Optionsmodell (Kindergeld oder Kinderfreibetrag) - auch unter Einbeziehung der Umsatzsteuererhöhung von 15% auf 16% seit dem 01.04.1998 - verfassungsgemäß geregelt.

2) Der begrenzte Abzug von Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 EStG ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

EStG §§ 62, 10 Abs. 3; GG Art. 1, 20 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 31

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 13.02.2008; Aktenzeichen 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05)

BFH (Urteil vom 10.11.2004; Aktenzeichen XI R 37/02)

BFH (Urteil vom 10.11.2004; Aktenzeichen XI R 37/02)

 

Tatbestand

Strittig ist die Frage, ob bei der Steuerfestsetzung das Existenzminimum der Familie der Kläger hinreichend verschont und der Leistungsfähigkeit der Kläger im Vergleich zu Eheleuten ohne Kinder verfassungsgemäß Rechnung getragen wurde, sowie die weitere Frage, ob die Begrenzung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen verfassungswidrig ist.

Der Kläger ist als … freiberuflich tätig. Daneben macht er Verluste aus diversen Mitunternehmerschaften geltend (…). Die mit ihm zusammen zu veranlagende Klägerin ist im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses angestellt. Die Eheleute haben vier Kinder, geboren …, … und … (Zwillinge). Für die Kinder erhielten sie im Streitjahr 1999 Kindergeld in Höhe von insgesamt 13.800,– DM.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 15.08.2000 bzw. nachfolgender Einspruchsentscheidung vom 08.08.2001 hat der Beklagte (Finanzamt -FA-) die Kläger erklärungsgemäß zur Einkommensteuer für 1999 veranlagt und bei einem zu versteuernden Einkommen von 127.963,– DM die Einkommensteuer nach der Splittingtabelle auf 31.542,– DM festgesetzt. In den Erläuterungen zum Bescheid ist ausgeführt, eine Günstigkeitsprüfung habe ergeben, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt wurde. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens seien daher keine Kinderfreibeträge berücksichtigt. Lediglich bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer seien die Kinderfreibeträge in Höhe von insgesamt 27.648,– DM einbezogen worden. Die von den Klägern geltend gemachten beschränkt abziehbaren Sonderausgaben in Höhe von insgesamt 74.925,– DM (davon Lebensversicherung 28.650,– DM und Angestellten-Höherversicherung 25.194,– DM) wurden nur mit dem Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 EStG von insgesamt 18.330,– DM abgezogen.

Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger blieb in den Streitpunkten erfolglos. Wegen der Begründung und der Steuerberechnung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 08.08.2001 Bezug genommen, mit der die Steuerfestsetzung nun auch hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen gemäß § 165 Abs. 1 AO für vorläufig erklärt wurde (Bl. 14 – 20 d.A.).

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger tragen vor, der Beklagte habe ihre Aufwendungen für Unterhalt, Betreuung und Erziehung ihrer Kinder nicht hinreichend berücksichtigt. Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1999 müsse der existenznotwendige Aufwand in angemessener und realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer verschont, das Existenzminimum der Familie also steuerfrei belassen werden, wobei das Sozialhilferecht eine quantifizierbare Vergleichsebene biete.

Die Berechnungen der Bundesregierung für das Streitjahr 1999 betreffend das Existenzminimum einer Familie in Form der Grundfreibeträge für die Eltern und der Kinderfreibeträge für die Kinder würden den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht. Eine Arbeitsgruppe der Sozialhilfereferenten des Bundes und der Länder habe schon im Jahre 1994 den durchschnittlichen Sozialhilfebedarf für ein Kind mit 7.563,– DM ermittelt. Demgegenüber lasse das EStG für 1999 nur den Abzug eines Kinderfreibetrags in Höhe von 6.912,– DM zu.

Außerdem sei nicht berücksichtigt, dass die Erhöhung der Umsatzsteuer zum 01.04.1998 von 15 % auf 16 % auch die Verbraucherpreise erhöht habe, was die Familien wegen ihres höheren Bedarfs stärker belaste, als Kinderlose. Diese aus der Erhöhung der Umsatzsteuer folgende Minderung der Leistungsfähigkeit sei für das Jahr 1999 aufgrund des für vier Kinder erforderlichen Versorgungsaufwands mit 40,– DM monatlich, also 480,– DM jährlich zu beziffern.

Darüber hinaus sei gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ein Betreuungsaufwand für die Kinder mit 6.048,– DM für das erste Kind und je 3.024,– DM für die drei weiteren Kinder entsprechend der vom Gesetzgeber für den Veranlagungszeitraum 2000 in § 32 Abs. 6 EStG getroffenen Regelung abzuziehen, und zwar auch schon im Streitjahr 1999. Ebenso sei der Erziehungsaufwand für die vier Kinder mit insgesamt 5.616,– DM entsprechend dem für Alleinerziehende geltenden Haushaltsfreibetrag anzusetzen. Schließ...

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