Entscheidungsstichwort (Thema)

ESt als Masseverbindlichkeit, Maßnahme des Insolvenzverwalters, einheitliche ESt-Schuld

 

Leitsatz (redaktionell)

Macht der Insolvenzverwalter von der Freigabemöglichkeit bzgl. der selbständigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen keinen Gebrauch und duldet die Tätigkeit nicht nur, sondern zieht auch den pfändbaren Betrag zur Masse, begründet er eine einheitliche Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 InsO, die zu einer einheitlichen Festsetzung der ESt gegenüber der Insolvenzmasse führt.

 

Normenkette

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1 Hs 2; EStG § 2 Abs. 7

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.07.2015; Aktenzeichen III R 32/13)

 

Tatbestand

In der Sache ist streitig, ob Einkommensteuerschulden für die Jahre 2004, 2005 und 2007 als Masseverbindlichkeiten anzusehen sind.

Der Kläger ist Treuhänder über das Vermögen von Frau A (wohnhaft B-Straße …, … C). Das vereinfachte Insolvenzverfahren über ihr Vermögen wurde am 27.03.2001 eröffnet.

Frau A, die zu diesem Klageverfahren beigeladen wurde, war seit dem 01.07.2001 als Zahnärztin bei der Ärztegemeinschaft D C-Zentrum, E-Straße …, in C tätig. Die dieser Tätigkeit zu Grunde liegende Kooperationsvereinbarung vom 01.07.2001 unterschrieb neben Frau A und einem Vertreter der Ärztegemeinschaft auch der Kläger (vgl. Bl. 111 ff. der FG-Akte). Hiernach stellte die Ärztegemeinschaft D der Insolvenzschuldnerin die erforderlichen Betriebsmittel und die Infrastruktur zur Verfügung. Dafür trat die Insolvenzschuldnerin die ihr gegenüber Patienten und der kassenärztlichen Vereinigung zustehenden Forderungen an die Ärztegemeinschaft ab. Nach einem von Frau A ohne Einbeziehung des Klägers abgeschlossenen Praxisgemeinschaftsvertrag standen ihr pauschal 25 % der von ihr abrechenbaren Honorare zu, während 75 % beim Seniorpartner der Ärztegemeinschaft verblieben. Die Differenz zwischen den Ausgaben und dem Anteil des Seniorpartners i.H.v. 75 % der Arzthonorare verblieb bei diesem als Gewinn. Nach der Kooperationsvereinbarung wurden die abgerechneten Honorarforderungen bis auf Widerruf durch den Kläger direkt an Frau A ausgezahlt. Der Kläger sollte die jeweiligen Abrechnungen der Ärztegemeinschaft in Kopie erhalten.

Nachdem der Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung durch den Beklagten in seiner Funktion als Treuhänder keine Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2004 und 2005 abgegeben hatte, wurden die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt.

Gegen die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 vom 13.02.2007 sowie den Vorauszahlungsbescheid 2007 vom 02.02.2007, die an den Kläger als Treuhänder gerichtet waren, legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führte er an, dass er nicht verpflichtet sei, für Frau A Steuererklärungen abzugeben. Im Übrigen sei bei der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen, dass der Insolvenzmasse wegen der Frau A zustehenden Pfändungsfreigrenze kaum Gelder zugeflossen seien. Er habe lediglich die Vermögenszuwächse der Insolvenzmasse zu versteuern. Ferner sei die Abgabe von Erklärungen auch deshalb nicht möglich, weil Frau A die hierzu erforderlichen Angaben nicht mache.

Nach der ablehnenden Einspruchsentscheidung vom 02.03.2009 verfolgt der Kläger sein Begehren im vorliegenden Klageverfahren weiter.

Nach Auffassung des Klägers hat eine Aufteilung der Einkünfte zu erfolgen, und zwar zwischen den auf die Insolvenzmasse entfallenden Einkünften sowie den Einkünften der Schuldnerin (bis zur Höhe des Pfändungsfreibetrags). Die Auffassung der Finanzverwaltung führe ansonsten dazu, dass die Insolvenzmasse mit Steuern belastet würde, deren Einkünfte ihr gar nicht zugeflossen seien. Gleichzeitig werde die Schuldnerin, die entsprechende Einkünfte erzielt habe und wohl für anderweitige Zwecke ausgegeben habe, verschont.

Es sei zwar unbestritten, dass die Steuer nur insgesamt und einheitlich festgesetzt werden könne, gleichwohl lägen die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Aufteilung vor.

Eine Aufteilung entspreche der Systematik des Einkommensteuerrechts. Nach dessen Regelungen würden immer nur die tatsächlich erzielten Einkünfte der Einkommensteuer unterworfen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit sei eine Aufteilung erforderlich. Denn die Steuergerechtigkeit schließe aus, dass die Insolvenzmasse eine Einkommensteuerpflicht für Einkünfte treffe, die sie nicht erlangt habe. Außerdem habe der BFH im Urteil vom 18.05.2010 (X R 60/08) entschieden, dass die einheitliche Steuerschuld in eine Insolvenzforderung, eine Masseforderung und eine insolvenzfreie Forderung aufzuteilen sei. Dabei habe der BFH bestätigt, dass die Zuordnung zu den Forderungskategorien nicht nach dem Steuerrecht, sondern nach dem Insolvenzrecht vorzunehmen sei (vgl. zuletzt BFH vom 1.4.2008 – X B 201/07, BFH/NV 2008, 925).

Zwar sei zuzugestehen, dass es der Gesetzgeber (zunächst) leider verabsäumt habe, eine eindeutige Regelung für das Spannungsverhältnis zwischen Steuerrecht und Insolvenzrecht zu treffen. Insbesondere fehlten in den Streitjahren spezielle Regelungen, d...

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