Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist bei § 23 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Änderung der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG von zwei auf zehn Jahre begegnet zumindest in den Fällen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, in denen der Steuerpflichtige zu keinem Zeitpunkt eine Rechtsfolgenlage vorgefunden hat, zu der er das Grundstück hätte steuerfrei veräußern können.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 S. 1Nr. 1; GG Art. 20 Abs. 3; EStG § 22 S. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Jahre 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 30.5.1997 das Objekt E-Str. in L.

Mit notariellem Vertrag vom 19.1.2000 veräußerte der Kläger das Objekt.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger in der Anlage SO Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aus der Veräußerung von Grundstücken in Höhe von 255.146,– DM. Auf die Einkommensteuererklärung sowie auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns des Objekts E-Str. wird verwiesen.

Der Beklagte erfaßte die von den Klägern in der Anlage SO erklärten Veräußerungsgewinne antragsgemäß und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 5.9.2002 auf 51.082,15 Euro fest.

Hiergegen legten die Kläger am 10.9.2002 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass aufgrund der Neuregelung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2001 vom 24. März 1999 (BGBl I, S. 402) die Veräußerungsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre verlängert worden sei. Damit sei ein Veräußerungsgeschäft durch die Neureglung einbezogen worden, dessen Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997, BGBl I, S. 821 (EStG a.F.) bereits abgelaufen war. Diesbezüglich habe der Bundesfinanzhof (BFH) schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel an der rückwirkenden Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahren geäußert (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 5. März 2001, IX B 90/00, BFHE 195, 205, BStBl II 2000, 405).

Mit Einspruchsentscheidung vom 12.11.2002 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Streitfall bestünden. In Fällen in denen zum Zeitpunkt des Ablaufs der zweijährigen Spekulationsfrist die Änderung des § 23 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2001 bereits beschlossen gewesen sei, mithin am 24.3.1999, bestünden gerade keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Hinweis auf FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2001 9 K 474/00, EFG 2001, 1386). Ein derartiger Sachverhalt liege auch im Streitfall vor.

Hiergegen haben die Kläger am 10.12.2002 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, der Einkommensteuerbescheid 2000 verletzte sie in ihren verfassungsmäßig geschützten Rechten. Es bestünden schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel an der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2001 (EStG n.F.). Die Regelung verstoße gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ergebende Verbot, rückwirkend belastende Steuern zu erlassen. Zudem widerspräche die abrupte Änderung der Spekulationsfrist des § 23 EStG dem Kontinuitätsgebot, das ebenfalls dem Rechtsstaatsprinzip entspringe.

Aufgrund des Rechtsstaatsprinzip des GG bedürfe es besonderer Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändere. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung sei eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Der Einzelne wäre in seiner Freiheit gefährdet, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände rückwirkend belastende Rechtsfolgen knüpfen.

Der Ausführung des Beklagten, der Verkauf des Grundstücks falle schon deswegen nicht unter einen derartigen Rückwirkungsschutz, weil die zweijährige Spekulationsfrist zum Zeitpunkt der Änderung des § 23 EStG noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei unzutreffend.

Sie hätten mit dem Kauf des Grundstücks E-Str. eine erhebliche finanzielle Investition getätigt. Dies sei im Vertrauen auf die seit dem Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, RGBl I, 189 unveränderte, zu diesem Zeitpunkt gültige und ihnen bekannte zweijährige Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) EStG erfolgt. Grundlage für den Kauf des Grundstücks sei die Voraussetzung gewesen, dieses, beispielsweise bei Eintreten von finanziellen Schwierigkeiten, schon nach zwei Jahren weiterveräußern zu können, ohne dass diese Einkünfte dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden. Dieser kurze und überschaubare zeitliche Rahmen sei ein Hauptgrund dafür, dass die Kläger sich zur Investition entschlossen hätten.

Das Vertrauen eines Grundstückskäufers auf die im Zeitpunkt der Anschaffung des Grundstücks entstehende Rechtslage sei nach Ansi...

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