Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrere Räume, Mittelpunkt der Gesamttätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Mehrere betrieblich genutzte Räume in der Privatwohnung eines selbständigen Bühnen- und Kostümbildners, die eine funktionale Einheit bilden, sind als häusliches Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG einzuordnen.

2) Das häusliche Arbeitszimmer eines Kostüm- und Bühnenbildners ist nicht als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit anzusehen, wenn diese ebenso gewichtig und prägend an den Theatern und Bühnen vor Ort ausgeübt wird.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b

 

Tatbestand

Nach zwischenzeitlicher Erledigung der übrigen Streitpunkte streiten die Beteiligten lediglich noch über den Umfang der Berücksichtigungsfähigkeit der als Arbeitszimmer genutzten Räumlichkeiten des Klägers.

Der Kläger war im Streitzeitraum 2005 bis 2009 als Bühnen- und Kostümbildner selbständig tätig. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

In seiner Einkommensteuererklärung 2005 machte der Kläger u.a. Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in der von ihm bewohnten Wohnung in der A-Straße … i.H.v. 2.152,50 € als Betriebsausgaben geltend. Im Einkommensteuerbescheid 2005 vom 11.05.2007 erkannte der Beklagte davon lediglich 1.250 € an, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Klägers darstelle. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führte er hinsichtlich des Arbeitszimmers u.a. aus, soweit er im Rahmen der bühnenbildnerischen Tätigkeit die Auftrag gebenden Theater aufsuche, geschehe dies ausschließlich gelegentlich zu Besprechungen, Proben etc. Noch am gleichen Tag telefonierte der für den Kläger zuständige Sachbearbeiter des Beklagten wegen der Arbeitszimmerproblematik mit dem damaligen Steuerberater des Klägers B, worüber er folgenden handschriftlichen Aktenvermerk fertigte:

”Lt. Telefonat mit dem St.-ber. ist der Stpfl. als Bühnenbildner nur im Design tätig und hat damit keine handwerklichen Aufgaben vor Ort zu machen! Ist somit nur zur Vorstellung und Abnahme der Bühne im Theater. Somit 100 % im Az = voller Betrag!”

Mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 06.06.2007 half der Beklagte dem Einspruch des Klägers insoweit ab und berücksichtigte die Aufwendungen für das Arbeitszimmer in der vom Kläger geltend gemachten Höhe.

Auch in den Jahren 2006 bis 2009 berücksichtigte der Beklagte die geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer erklärungsgemäß mit 4.070,79 € (2006), 5.640,01 € (2007), 5.712 € (2008) und 5.985,60 € (2009). Der das Jahr 2006 betreffende Betrag entfällt dabei zu 1.238,79 € auf den in der A-Straße … betrieblich genutzten Raum und mit 2.832 € auf die am 15.07.2006 neu bezogene Wohnung des Klägers in der C-Straße …, wo der Kläger fortan zwei gegenüberliegende Zimmer für seine Tätigkeit als Bühnenbildner nutzte. Der Einkommensteuerbescheid 2009 erging gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In 2011 führte der Beklagte bei dem Kläger für die Jahre 2004 bis 2009 eine Betriebsprüfung durch.

Am 28.03.2011 reichte der Kläger eine Beschreibung seiner Tätigkeit beim Beklagten ein. Darin beschrieb er seine Tätigkeit als Bühnenbildner wie folgt: Sammeln von Hintergrundinformationen über das jeweilige Stück (Musik, historisches Umfeld, Aufführungspraxis, verschiedene Möglichkeiten der Deutung und Interpretation, historische oder zeitnahe Behandlung des Stücks), Erarbeitung einer Konzeption in Zusammenarbeit mit dem Regisseur oder Choreographen für das jeweilige Stück (Oper, Schauspiel, Ballett), Entwurfsskizzen für das Bühnenbild, Absprache darüber mit dem Regisseur und der Technischen Leitung des jeweiligen Theaters, Absprache mit dem Kostümbildner, Erstellung eines Bühnenbildmodells im Maßstab 1:50 oder 1:20, Vorbereitung der Bauprobe (Abgabe notwendiger Unterlagen für die Bauprobe, Erläuterung der Konzeption für Bühnentechnik, Dramaturgie und Dirigent, eventuelle Abänderungen), Anfertigung technischer Zeichnungen für die einzelnen Gewerke sowie Anfertigung aller nötigen Vorlagen und Details für die Werkstätten (Farbmuster, Bildvorlagen, Materialvorlagen usw.), Abgabe der Unterlagen und detaillierte Besprechung mit den Vorständen der einzelnen Gewerke (Malsaal, Schreinerei, Schlosserei, Polsterei, Dekoabteilung) sowie Absprache mit der Bühnentechnik bzgl. Aufbauzeit, Lagerung und Transportmaße, Kontrolle der Dekorationsanfertigung in den Werkstätten, Technische Einrichtung, Beleuchtungsproben, Hauptproben, Generalprobe, Matinee mit Podiumsdiskussion, Premiere.

Seine Tätigkeit als Kostümbildner erfasse folgende Tätigkeiten: Erstellung eines Konzepts in Zusammenarbeit mit dem Regisseur oder Choreographen für das jeweilige Stück (Oper, Schauspiel, Ballett), Anfertigung von Kostümentwürfen, Abgabe der Entwürfe und detaillierte Besprechung mit der Kostümleitung und den Gewandmeistern, Aussuchen der Materialien, Anproben, Endproben und P...

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