Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung bei verzögerter Übersendung der Einspruchsentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

1.) Übersendet der Steuerberater eine Einspruchsentscheidung ohne erkennbaren Grund erst am 16. Tag nach Zugang an seinen Mandanten weiter und unterlässt in der verbleibenden Klagefrist weitere Abstimmungen, liegt ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten des Beraters vor, das dem Steuerpflichtigen im Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuzurechnen ist.

2.) Ist der Steuerpflichtige in einem solchen Fall während der verbliebenen Klagefrist urlaubsabwesend, so liegt keine unverschuldete Verhinderung i.S.v. § 56 Abs. 1 Satz 1 FGO vor, wenn er im Zeitpunkt der Zustellung an den Bevollmächtigten noch nicht urlaubsabwesend war.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit der Klagen und die Höhe der vom Kläger erzielten Erlöse aus seiner gewerblichen Tätigkeit.

Mangels Einreichung der entsprechenden Steuererklärungen schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer, Umsatzsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2006 mit Bescheiden vom 05.05.2008 (Einkommensteuer, Umsatzsteuer) bzw. 03.06.2008 (Gewerbesteuermessbetrag).

Die hiergegen fristgerecht eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen vom 07.08.2009 als unbegründet zurück. Er begründete, dies damit, dass die zwischenzeitlich eingereichten Steuererklärungen noch zahlreiche Fragen aufgeworfen hätten, die der Kläger trotz mehrfacher Nachfrage nicht habe klären können.

Die Einspruchsentscheidungen gingen ausweislich eines Eingangsstempels am 10.08.2009 bei der zu dieser Zeit vom Kläger bevollmächtigten Kanzlei S ein.

Mit Schreiben vom 26.08.2009 sandte die Kanzlei S die Einspruchsentscheidungen an den Kläger. Das Schreiben, auf dessen Kopie in den Gerichtsakten (Bl. 16 GA 12 K 3102/09) verwiesen wird, lautete auszugsweise wie folgt:

„Sehr geehrter Herr L,

als Anlage übersenden wir Ihnen die Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 2006, Gewerbesteuer 2006 und Umsatzsteuer 2006 zur Kenntnisnahme.

Die den Einspruchsentscheidungen zugrunde liegenden Schreiben wurden nicht von uns verfasst und liegen hier auch nicht in Kopie vor, so dass eine Beurteilung des geschilderten Sachverhalts nicht möglich ist.

Gegen die Einspruchsentscheidungen ist nur noch eine Klage beim Finanzgericht in Köln möglich die bis zum 10. September 2009 eingereicht und entsprechend begründet werden muss. Gleichzeitig endet am 10. September 2009 die bisher gewährte Aussetzung der Vollziehung für die festgesetzten Nachzahlungsbeträge in Höhe von ca. EUR … die damit zur Zahlung fällig werden.

Wir dürfen Sie bitten sich diesbezüglich mit uns in Verbindung zu setzen damit wir das weitere Vorgehen abstimmen können.”

Ausweislich einer Bestätigung des Hotels W in U in N (Bl. 12 GA 12 K 3102/09) befand sich der Kläger dort mit seiner Familie in der Zeit vom 25.08. bis 05.09.2009. Gemäß einer weiteren Bestätigung des Hotels B in Q (Bl. 11 GA 12 K 3102/09) hielt er sich dort mit seinem Sohn … in der Zeit vom 05.09. bis 15.09.2009 auf.

Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub beauftragte der Kläger die Kanzlei seines jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Erhebung der Klage.

Er hat am 29.09.2009 gegen die streitgegenständlichen Bescheide Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

Den Wiedereinsetzungsantrag begründet er damit, dass das Schreiben der Kanzlei S, mit dem ihm die Einspruchsentscheidungen zugesandt worden seien, ihn erst nach der Rückkehr aus seinem Urlaub am 15.09.2009 erreicht habe. Sein Auftrag an die Kanzlei S habe neben der Empfangsvollmacht für Steuerbescheide und Verwaltungsakte auch weitere steuerliche Leistungen, wie zum Beispiel die Einlegung von außergerichtlichen Rechtsbehelfen, jedoch nicht die Erhebung von Klagen umfasst. Ein zurechenbares Verschulden des steuerlichen Beraters liege daher nicht vor. Diesen hätten keine weiteren Pflichten als die Zusendung der Einspruchsentscheidungen an ihn und der Hinweis auf die Klagefrist getroffen. So habe auch das OLG Köln im Urteil vom 08.05.2008 (8 U 4/08, DStR 2009, 1059) entschieden, dass ein Steuerberater, der seinen Mandanten vom Inhalt einer gegen ihn ergangenen Entscheidung sowie über die Möglichkeiten, gegen sie Rechtsbehelfe zu ergreifen und die dabei einzuhaltenden Fristen so rechtzeitig unterrichte, dass dieser ausreichend Zeit habe, sich über die Einlegung eines Rechtsbehelfs schlüssig zu werden, seine Sorgfaltspflichten erfülle. Bei einem Schweigen des Mandanten hierauf müsse er keine weitere Nachfrage halten und insbesondere auch nicht vorsorglich Klage erheben. Der steuerliche Berater habe ihm, dem Kläger, die Einspruchsentscheidungen rechtszeitig per Post weitergeleitet. Lege man die Drei-Tages-Fiktion des § 122 Abs. 2 AO zugrunde, so sei davon auszugehen, dass das Schreiben des steuerlichen Beraters ihm am 29.08.2009 zugegangen sei. Von da an habe er noch volle 13 Tage ...

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