Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewinnerzielungsabsicht bei Rechtsanwaltstätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Zu der Frage, wann schon aufgrund der Höhe der erzielten Verluste sowie der Tatsache, dass die Tätigkeit strukturell dauerdefizitär ist, bei einer Tätigkeit als Rechtsanwalt auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden kann.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 4, 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die von der Klägerin erklärten Einkünfte – hier für die Jahre 2008 und 2010 – aus ihrer Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin steuerlich zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hat ihre Tätigkeit während des Klageverfahrens zum Ende des Jahres 2010 beendet.

Die Klägerin ist Jahrgang 1930. Sie ist seit 1981 verwitwet. Im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes, mit dem sie seit 1962 gemeinsam die Rechtsanwaltspraxis betrieben hatte, waren ihre beiden Kinder 13 und 15 Jahre alt. Die Rechtsanwaltspraxis der Klägerin befindet sich in einem auch zu eigenen Wohnzwecken genutzten Objekt mit parkähnlichem Grundstück. Die Praxisräume befinden sich nach den Angaben der Klägerin im Erdgeschoss; die beiden Obergeschosse werden privat genutzt. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Steuerakten hat die Klägerin stets 1/3 der im Zusammenhang mit dem Haus entstandenen Aufwendungen geltend gemacht. Die Gesamtfläche des Hauses beträgt 340 m².

Die Gewinne der Klägerin aus Rechtsanwaltstätigkeit stellen sich ausweislich der noch verfügbaren Gewinn- und Verlustrechnungen (G+V) – ohne Berücksichtigung der dem Gericht erst in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebrachten Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit laut strafbefreiender Erklärung vom 10.12.2004 in Höhe von 86.018,07 EUR – wie folgt dar:

1992

42.203,45 DM

2002

./. 32.589,36 Euro

1993

./. 53.051,82 DM

2003

./. 24.592,35 Euro

1994

./. 31.052,19 DM

2004

./. 29.406,37 Euro

1995

./.10.691,49 DM

2005

./. 24.006,48 Euro

1996

5.954,03 DM

2006

./. 33.909,24 Euro

1997

9.724,81 DM

2007

./. 31.798,46 Euro

1998

./.22.371,25 DM

2008

./. 43.945,69 Euro

1999

./. 31.124,78 DM

2009

./. 41.473,00 Euro

2000

./. 33.731,06 DM

2010

./. 33.779,00 Euro

(ohne Aufgabegewinn/Grundstücksanteil)

2001

./. 44.118,13 DM

Bis einschließlich 2007 wurden die erklärten Einkünfte steuerlich berücksichtigt.

Die Einnahmen der Klägerin aus der Rechtsanwaltstätigkeit und die von ihr geltend gemachten Betriebsausgaben stellen sich laut G+V wie folgt dar:

Einnahmen

Betriebsausgaben

1992

121.736 DM

79.532 DM

1993

37.771 DM

90.823 DM

1994

42.279 DM

73.331 DM

1995

55.879 DM

66.570 DM

+168.230 DM (86.018 EUR) aus der strafbefr. Erklärung 2004

1996

72.470 DM

66.516 DM

1997

79.019 DM

69.294 DM

1998

44.292 DM

66.663 DM

1999

22.748 DM

53.873 DM

2000

31.474 DM

65.205 DM

2001

35.590 DM

79.708 DM

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

2002

11.250 Euro

43.840 Euro

2003

16.715 Euro

41.307 Euro

2004

15.662 Euro

45.068 Euro

2005

24.476 Euro

48.482 Euro

2006

16.944 Euro

50.853 Euro

2007

10.939 Euro

42.737 Euro

2008

4.816 Euro

48.762 Euro

2009

2.713 Euro

44.186 Euro

2010

11.193 Euro

32.399 Euro.

In den erklärten Betriebsausgaben für die Rechtsanwaltstätigkeit waren Personalkosten enthalten in folgender Höhe:

1992

22.168 DM

1993

24.891 DM

1994

22.588 DM

1995

10.806 DM

1996

11.298 DM

1997

12.679 DM

1998

9.617 DM

1999

12.990 DM

2000

21.572 DM

2001

36.500 DM

2002

23.591 Euro

2003

24.784 Euro

2004

26.241 Euro

2005

27.058 Euro

2006

27.136 Euro

2007

26.784 Euro

2008

26.837 Euro

2009

27.522 Euro

2010

20.727 Euro.

Auf das Büro der Klägerin in der selbstgenutzten Villa entfielen laut G+V für Strom, Wasser, Entwässerung, Müll, Heizung, Feuerversicherung, Grundsteuer, Straßenreinigung und „sonstige Bürokosten” inkl. Büroreinigung in den Jahren 1992 bis 2001 anteilige Aufwendungen von durchschnittlich 7.800 DM, in den Jahren 2002 bis 2008 von durchschnittlich 4.500 Euro.

Nach den dem Gericht vorliegenden Steuerakten erzielte die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Diese betrugen ausweislich der vorliegenden Steuererklärungen

2000

116.432 DM

2001

203.409 DM

2002

92.607 Euro

2003

85.209 Euro

2004

87.222 Euro

2005

85.687 Euro

2006

59.104 Euro

2007

108.272 Euro

2008

114.630 Euro

2009

112.034 Euro

2010

103.000 Euro

Zudem erzielte die Klägerin ausweislich der vorliegenden Steuerakten ab 2000, aber auch schon vorher – wie zum Beispiel laut strafbefreiender Erklärung für 1995 – Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2007 hatte die Klägerin Einspruch erhoben. Im Einspruchsverfahren erteilte die Rechtsbehelfsstelle des Beklagten einen Verböserungshinweis hinsichtlich der Nichtberücksichtigung der Einkünfte der Klägerin aus Rechtsanwaltstätigkeit. Daraufhin nahm die Klägerin den Einspruch für 2007 zurück.

Im Rahmen der hier streitigen Einkommensteuerveranlagung 2008 berücksichtigte der Beklagte die erklärten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit der Klägerin nicht. Im Bescheid vom 5.5.2010 wurden die Einkünfte mit 0 Euro...

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