Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrens- und Ermessensfehler

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Inhalt der mündlichen Steuerberaterprüfung muss nicht protokolliert werden, so dass fehlende Prüferaufzeichnungen insoweit keinen Verfahrensfehler begründen.

2) Eine den Anforderungen von § 31 Abs. 1 DVStB genügende Niederschrift muss keine schriftliche Fixierung der Einzelbewertungen enthalten. Sofern dies zwecks Findung einer sachgerechten Leistungsbeurteilung in einer Anlage "Notentabelle" zur Niederschrift und einem "Bewertungsbogen für den mündlichen Vortrag" erfolgt, führen diesbezügliche handschriftliche Korrekturen zuvor vorgenommener Eintragungen oder das Nichtausfüllen einzelner Beurteilungsfelder nicht zu einem Form- oder Verfahrensfehler.

3) Auch wenn im "Bewertungsbogen für den mündlichen Vortrag" dreimal die Einzelnote 4,0 angekreuzt wurde, kann unter Berücksichtigung sonstiger Umstände, für die kein Noteneintrag vorgesehen ist, eine Gesamtnote 4,5 vergeben werden.

4) Der Umstand, in der Prüfung des Vorsitzenden stets als Erster und auch am meisten geprüft worden zu sein, begründet keinen Verfahrensfehler.

5) Der Umstand, vom Vorsitzenden vor der Prüfung nur nach eigener Gesundheit, nicht jedoch nach sonstigen Gründen befragt worden zu sein, die die Prüfungsleistung hätten beeinträchtigen können, begründet auch dann keinen Verfahrensfehler, wenn ein Familienmitglied des Kandidaten am Prüfungstag an einer schweren lebensbedrohlichen Erkrankung litt.

6) Wird bei einem Steuerfachwirt in der Notentabelle handschriftlich der Eintrag "StfachA" gemacht, führt dies nicht zur Berücksichtigung einer unzutreffenden Berufsqualifikation bzw. einem Verfahrensfehler, wenn der Vorsitzende hierdurch lediglich den generellen Berufsweg des Kandidaten vermerken wollte.

7) Der Umstand, dass auf den Klausurbögen von den Prüfern keine handschriftlichen Punktevergaben vorgenommen wurden, begründet keinen Verfahrensfehler.

 

Normenkette

DVStB § 31 Abs. 1, § 28 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.01.2012; Aktenzeichen VII B 124/11)

BFH (Aktenzeichen VI B 124/11)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin die Steuerberaterprüfung 2007 nicht bestanden hat.

Die Klägerin hat die Steuerberaterprüfung 2002 nicht bestanden. Zu den Steuerberaterprüfungen 2003 bis 2006 wurde sie zugelassen, nahm an ihnen jedoch nicht teil bzw. trat von ihnen zurück. Zur Steuerberaterprüfung 2007 wurde sie wieder zugelassen. Die von ihr in dieser Prüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten wurden wie folgt bewertet:

Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete:

4,5

(41,0/41,0 Punkte)

Ertragsteuerrecht:

4,0

(50,0/50,0 Punkte)

Buchführung und Bilanzwesen:

4,0

(51,5/50,5 Punkte)

Gesamtnote:

4,16

In der mündlichen Prüfung am 29. Februar 2008 erzielte die Klägerin einen Notendurchschnitt von 4,28. Dies ergab ein Gesamtprüfungsergebnis von 4,22, das die in § 28 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und SteuerberatungsgesellschaftenDVStB – genannte Bestehensgrenze von 4,15 überstieg. Der Prüfungsausschuss entschied, dass sie die Prüfung nicht bestanden hatte. Nach dem Inhalt des Prüfungsprotokolls wurde diese Entscheidung der Klägerin im Anschluss an die mündliche Prüfung vom Vorsitzenden der Prüfungskommission mündlich bekanntgegeben und begründet.

Das Ergebnis der mündlichen Prüfung, an der insgesamt vier Kandidaten teilnahmen (die drei Mitbewerber haben die Prüfung bestanden) setzt sich wie folgt zusammen:

1. Kurzvortrag

Die Klägerin wählte das Vortragsthema: „Erbschaftsteuerliche und schenkungsteuerliche Folgen beim Übergang von Anteilen an Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften: eine vergleichende Darstellung”. Der Vortrag dauerte 6 Minuten und wurde von der Prüfungskommission mit der Note 4,5 bewertet.

2. Verfahrensrecht und Umsatzsteuer

(Prüfer: Herr A; Note: 4,5).

3. Steuern vom Einkommen und Ertrag

(Prüfer: Herr F; Note: 4,0).

4. VWL/BWL/Bilanzrecht

(Prüfer: Herr B; Note 4,0).

5. Verkehrsteuern und Berufsrecht

(Prüfer: Herr W; Note: 4,0).

6. Zivil- und Europarecht

(Prüfer: Herr G; Note: 4,0)

7. Prüfung durch den Vorsitzenden

(Prüfer: Herr M; Note 5,0).

Mit Schriftsatz vom 25. März 2008, der am 26. März 2008 beim Beklagten einging und von diesem an das Gericht weitergeleitet wurde, hat die Klägerin gegen den Prüfungsbescheid vom 29. Februar 2008 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie gegen die schriftliche und mündliche Prüfung im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte vor:

Auf der Klausur „Buchführung und Bilanzwesen” seien keine einzelnen Punktevergaben vorgenommen worden. Das Schlussvotum der Prüfer sei maschinenschriftlich und nicht wie bei den anderen Klausuren handschriftlich erfolgt. Es sei daher zu vermuten, dass die Punktevergabe auf den Klausurbögen nicht versehentlich, sondern planmäßig unterblieben sei. Da nach § 15 Abs. 1 DVStB die Gesamtnote aber auf der Vergabe von Einzelnoten beruhe, seien diese auf der Klausur a...

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