Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsaufwendungen an in Deutschland geduldete Angehörige

 

Leitsatz (redaktionell)

Unterhaltsleistungen auf der Grundlage einer gemäß § 68 des Aufenthaltsgesetzes übernommenen Verpflichtung an eine in Deutschland (lediglich) geduldete (= Aussetzung der Abschiebung) Schwester, ihren Schwager und die Nichte sind aus sittlichen Gründen zwangsläufig und als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn sich das Land, in das die Unterstützten andernfalls abgeschoben würde, im Kriegszustand befindet (hier in die Ukraine).

 

Normenkette

AufenthG § 68; EStG § 33

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.12.2021; Aktenzeichen VI R 40/19)

BFH (Aktenzeichen VIII R 39/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Unterhaltsaufwendungen an die Schwester der Klägerin, sowie deren Ehemann und Tochter.

Die Kläger sind deutsche Staatsangehörige. Sie wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben ein gemeinsames, im Jahr 2006 geborenes Kind. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Schwester der Klägerin lebte zu Beginn des Streitjahres gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in der Ukraine.

Unter dem 24. April 2014 unterzeichnete der Kläger folgende Verpflichtungserklärung:

„Ich, der Unterzeichnende L … verpflichte mich gegenüber der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung für … Schwägerin … Ehegatte und begleitende Kinder … vom Tag der voraussichtlichen Einreise am 16.06.2014 bis zur Beendigung des Aufenthalts … nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes die Kosten für den Lebensunterhalt … zu tragen …”

Ferner unterzeichnete er am selben Tag folgende Erklärung:

„… Die Verpflichtung umfasst die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, z.B. Kosten für Ernährung, Bekleidung Wohnraum (privat oder im Hotel) sowie Kosten für Arzt, Medikamente, Krankenhaus … „.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verpflichtungserklärung und die Erklärung des Verpflichtungsgebers, jeweils vom 14. April 2014 (Bl. 12 ff. der Gerichtsakten), Bezug genommen.

Die Schwester der Klägerin, sowie deren Ehemann und Tochter reisten im Streitjahr (zunächst zu Besuchszwecken) nach Deutschland ein. Die Kläger nahmen die Familie in C auf. Sie stellten ihr Wohnräume zur Verfügung und übernahmen die Aufwendungen für Lebensmittel, Versicherungen, Rechtsanwalt (wegen Aufenthaltstitel) und (freiwilligen) Sprachkurs.

Für die Krankenversicherung wurden Aufwendungen von 204,94 € (2 Monate á 33,10 € für die Schwester der Klägerin + 33,10 € für die Nichte der Klägerin + 36,27 € für den Schwager der Klägerin) übernommen.

Die aufgenommenen Personen erhielten im Streitjahr den Status „Aussetzung der Abschiebung” (= Duldung).

Im Rahmen der Einkommensteuerklärung machten die Kläger einen Betrag von insgesamt 15.827 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Betrag setzte sich aus Anwaltskosten, Aufwendungen für Lebensmittel und Sprachkurse und der Zurverfügungstellung von Wohnräumen zusammen.

Im Rahmen einer Anhörung gemäß § 91 Abgabenordnung (AO) teilte der Beklagte den Kläger daraufhin mit, er beabsichtige von der Einkommensteuererklärung wie folgt abzuweichen: Die Anwaltskosten seien nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Auch die Kosten für Deutschkurse seien nur dann abzugsfähig, wenn eine Teilnahme verpflichtend sei. Die typischen Unterhaltsaufwendungen seien in § 33 a Einkommensteuergesetz (EStG) abschließend geregelt. Da jedoch keine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung bestehe, seien die Unterhaltsleistungen nicht nach § 33 a EStG abzugsfähig. Die Kläger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Anschließend setzte der Beklagte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 14. Oktober 2015 ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen fest.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2016 als unbegründet zurück. Er führte aus, es sei keine Zwangsläufigkeit der getätigten Aufwendungen gegeben. Das sittliche Gebot für die Übernahme der Aufwendungen für den Unterhalt (Lebenshaltungskosten und Beiträge zur Krankenversicherung) der ohne gesetzliche Unterhaltsverpflichtung aufgenommenen Familienmitglieder sei nicht erkennbar. Zudem bestimme das BMF-Schreiben in der Fassung vom 27. Mai 2015, BStBl I 2015, 474, das Folgende: Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, die eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 Aufenthaltsgesetzes haben, können unabhängig von einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nach § 33 Abs. 1 Satz 3 EStG berücksichtigt werden.

Voraussetzung sei aber, dass der Steuerpflichtige eine Verpflichtungserklärung nach § 68 Aufenthaltsgesetz abgegeben habe und sämtliche Kosten zur Bestreitung des Unterhalts übernehme. Eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 Aufenthaltsgesetz ordne die oberste Landesbehörde...

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