Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzungsbefugnis bei fehlender Mitwirkung des Stpfl.

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Das FA ist gemäß § 162 AO befugt, Besteuerungsgrundlagen eines Gewerbetreibenden für "Klempnerei, Gas-, Wasser-, Heizungs- und Lüftungsinstallation" zu schätzen, der im Rahmen einer Einnahme-Überschussrechnung keine vollständigen, richtigen, zeitgerechten und geordneten Aufzeichnungen führt.

2) Kommt der Kläger einer zumutbaren Mitwirkungspflicht trotz Aufforderungen nicht nach, ist das Gericht nicht verpflichtet, sich aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes ein eigenes Bild von den Buchführungsunterlagen zu machen.

 

Normenkette

AO § 146; FGO § 76; AO § 162

 

Nachgehend

BFH (Aktenzeichen X B 157/10)

 

Tatbestand

Der Beklagte veranlagte den Kläger für die Streitjahre 2004 bis 2005 zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Der Kläger betreibt bzw. betrieb eine Gewerbe „Klempnerei, Gas-, Wasser-, Heizungs- und Lüftungsinstallation” als Einzelunternehmen.

Da der Kläger Steuererklärungen nicht abgab, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen.

Die Schätzungsbescheide Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2004 und 2005 wurden öffentlich zugestellt (Benachrichtigung über eine öffentliche Zustellung vom 14.06.2006; s. ESt-Akte), da die Anschrift des Klägers nicht ermittelt werden konnte.

In einem beim Finanzamt am 17.07.2006 eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG. Zugleich teilte der Kläger seine neue Adresse mit. Er gab zudem an, dass er zurzeit keine Zeit habe, die Steuererklärungen zu erstellen, da er sein Unternehmen intensiv saniere. Die Buchhaltung werde überarbeitet. Um seinen Betrieb fortzuführen, benötige er die Freistellungsbescheinigung.

Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 19.07.2006 mit, dass eine Freistellungsbescheinigung nicht erteilt werden könne. Zur Begründung gab der Beklagte an, dass für die Jahre 2003 bis 2005 Schätzungen durchgeführt worden seien, weil keine Steuererklärungen abgegeben worden seien. Die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 seien am 14.06.2006 öffentlich zugestellt worden. Der Beklagte übermittelte dem Kläger jeweils eine Kopie der hier angefochtenen Schätzungsbescheide. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 13.08.2006 und forderte das Finanzamt auf, unverzüglich die Freistellungsbescheinigung zu erteilen und die Schätzungen zu stornieren. Wie er bereits mitgeteilt hätte, sei er bereit die Steuererklärungen abzugeben, aber nicht unter diesen Umständen.

Das Finanzamt wertete das Schreiben vom 13.08.2006 zunächst nur als Einspruch gegen die Ablehnung der Freistellungsbescheinigung. Es teilte dem Kläger mit, dass es weiterhin an der Ablehnung festhalte, da Steuererklärungen nicht vorgelegt worden seien. Es bat den Kläger, seinen Erklärungspflichten nachzukommen und die Erfolgsaussichten des Einspruchs zu bedenken (Schreiben des FA vom 15.08.2006, ESt-Akte).

Mit Schreiben vom 13.09.2006 erhob der Kläger die hier vorliegende Klage und begehrte zum einen die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung als auch die Aufhebung der Schätzungsbescheide.

Zur Begründung trägt er vor, dass die Freistellungsbescheinigung auszustellen sei, da keine Steuerschulden vorhanden seien. Gegen die Schätzungsbescheide könne auch ohne Vorverfahren Klage erhoben werden, wenn begründete Tatsachen vorlägen. Die Schätzungen seien rechts- und verfassungswidrig.

Während des Klageverfahrens reichte der Kläger am 13.04.2007 die Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen 2004 und 2005 ein. Das Finanzamt lehnte zunächst mit rechtsbehelfsmäßigen Schreiben vom 17.04.2007 die Änderung der Bescheide mangels Berichtigungsvorschrift ab. Gegen die Ablehnung legte der Kläger mit Schreiben vom 25.04.2007 Einspruch ein. Das Finanzamt teilte dem Kläger mit, dass den Einsprüchen nicht entsprochen werden könne. Am 29.05.2007 sprach der Kläger beim Finanzamt vor und beantragte die Schätzungen aufgrund der eingereichten Erklärungen zu berichtigen. Das Finanzamt stellte fest, dass die öffentliche Zustellung der Bescheide nicht wirksam erfolgt sei. Es legte daher das Schreiben vom 13.08.2006 auch als Einspruch gegen die Schätzungsbescheide aus. Zur abschließenden Bearbeitung der Steuererklärungen für die Jahre 2004 und 2005 bat es den Kläger umfassende Unterlagen vorzulegen und bestimmte Fragen zu beantworten (Schreiben des Beklagten vom 30.05.2007). Des Weiteren fragte es beim Kläger an, ob er damit einverstanden sei, dass Änderungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen könnten. Der Kläger erteilte mit Schreiben vom 14.07.2007 die Zustimmung zur Vorbehaltsfestsetzung. Daraufhin erließ der Beklagte am 27.7.2007 Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 (Steuer jeweils 0 EUR) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit Bescheiden vom 07.08.2007 wurde die USt 2004 auf ./. 3.728,06 EUR und die USt 2005 auf ./. 1.261,44 EUR festgesetzt.

Mit Verfügung vom 18.07.2007 hatte der Beklagte eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 2004 bis...

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