Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer: Schätzungsbefugnis bei ungeklärten Einlagen / fehlenden Rechnungsnummern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei ungeklärten Bareinzahlungen auf betriebliche Konten ist der Steuerpflichtige wegen der von ihm selbst hergestellten Verbindung zwischen Privat- und Betriebsvermögen bei der Prüfung, ob Einlagen gegeben sind, nach § 90 Abs. 1 Satz 1 AO verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet; bei Verletzung dieser Pflicht kann das Finanzgericht von weiterer Sachaufklärung absehen und den Sachverhalt dahingehend würdigen, dass unaufgeklärte Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen.

2. Die zu einer Schätzung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO führenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben bzw. für die sachliche Richtigkeit der vorgelegten Aufzeichnungen können sich auch aus Lücken bei der fortlaufenden Nummerierung der Rechnung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 UStG ergeben; Lücken in der Rechnungsnummernabfolge können eine Schätzung nötig erscheinen lassen, wenn die vollständige Erfassung der Einnahmen nicht mehr als gewährleistet anzusehen ist.

 

Normenkette

AO § 90 Abs. 1, § 162; UStG § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 4, § 22 Abs. 6; UStDV § 63 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Hinzuschätzung von Ausgangsumsätzen durch den Beklagten nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung.

Der Kläger betrieb im Streitjahr 2013 unter der Firma A ein Einzelgewerbe. Gegenstand seines Unternehmens war der Versand- und Internet-Einzelhandel ... Seine Waren vertrieb er im Streitjahr bis zur Löschung seines Händlerkontos im ... 2013 über XXX. Die mit XXX generierten Umsätze wurden mithilfe der Software der Firma B abgewickelt, insbesondere die entsprechenden Rechnungen wurden automatisch erstellt.

Nach der Löschung seines Kontos bei XXX veräußerte der Kläger seine Waren im Direktvertrieb weiter. Die Rechnungen für die so getätigten Verkäufe erstellte der Kläger mit der Software "C". Mit der Rechnungsstellung betraut war die Mitarbeiterin des Klägers, die Zeugin D. Ein Ausgangsrechnungsbuch führte der Kläger nicht.

Mit Bescheid vom 22. August 2012 stimmte der Beklagte einem Antrag des Klägers zu, die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnen zu dürfen. Für das Streitjahr gab der Kläger mit Ausnahme des Dezembers monatlich Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab. Seinen Gewinn für ertragsteuerliche Zwecke ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung.

Auf Grundlage der Prüfungsanordnung vom 20. Dezember 2013 führte der Beklagte beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume April bis Oktober 2013 durch.

Im Rahmen der Betriebsprüfung legte der Kläger u. a. die mit der Software "C" erstellten Ausgangsrechnungen nebst den Zahlungsbelegen vor. Darüber hinaus wertete der Betriebsprüfer die eingereichten Kontoauszüge des betrieblichen Kontos des Klägers bei der Bank-1 aus.

Hinsichtlich der manuell erstellten Rechnungen stellte der Prüfer fest, dass die Rechnungsnummern in unterschiedlichen Formaten abgefasst worden seien. Teilweise habe der Kläger Rechnungsnummern doppelt vergeben (Rechnungsnummer: 1/A, 2/A, 33/A). Teilweise seien Rechnungen nicht vorgelegt worden (Rechnungsnummern: 5, 6, 7, 8, 13, 14, 27, 28, 36, 37, 38, 39, jeweils mit der Endung A). Insgesamt sieben Rechnungen wiesen keinerlei Rechnungsnummer auf. Darüber hinaus seien zwei Rechnungen vorhanden, die eine in der Systematik abweichenden Rechnungsnummer aufwiesen (Nr. 3/T und 282). Die letzte vorgelegte Rechnung vom 17. Oktober 2013 trage die Nr. 41. Insgesamt seien jedoch nur 28 Rechnungen überhaupt vorgelegt worden. Für einige der als storniert gekennzeichneten Ausgangsrechnungen seien teilweise keine weiteren Nachweise der Stornierung vorgelegt worden. Dies gelte insbesondere für die Rechnungen vom 24. Juni 2013 und 13. August 2013 an die Firma E GmbH & Co. KG mit einem Umsatzvolumen von ca. ... €. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 1. April 2015 nebst der einschlägigen tabellarischen Übersicht verwiesen.

Darüber hinaus ermittelte der Prüfer für den 4. Juni 2013, den 10. Juni 2013, den 12. Juni 2013 und den 20. Juni 2013 Einzahlungen auf das betriebliche Bankkonto des Klägers i. H. v. ... €, ... €, ... € sowie ... € (insgesamt ... €).

Für den Monat Mai 2013 errechnete der Prüfer einen gegenüber der Voranmeldung um ... € zu erhöhenden Vorsteuerbetrag. Für den Monat Juli 2013 betrugen die Ausgangsumsätze (netto) gemäß der eingereichten Buchführung des Klägers statt ... € wie angemeldet ... €, was zu einer Mehrsteuer i. H. v. ... € führte.

Im Rahmen der Betriebsprüfung erklärte der Kläger, dass bei der manuellen Erstellung der Rechnungen seine Mitarbeiterin, die Zeugin D, fehlerhaft gearbeitet habe. Über die vorgelegten Rechnungen hinaus habe es keine Umsätze gegeben. Bei den Bankeinzahlungen habe es sich um Barzahlungen der Firma S-GmbH für Wareneinkäufe gehandelt. Diese seien dann, weil teilweise noch keine entspreche...

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