Entscheidungsstichwort (Thema)

Einhaltung der Tierschutzrichtlinie - Ermessensentscheidung der Behörde

 

Leitsatz (amtlich)

Sind die von einer behördlichen Untersuchungskommission festgestellten Mängel eines Transportmittels - hier: Schiff - vor dem streitigen Tiertransport in wesentlichen Teile abgestellt worden, ist das Hauptzollamt nicht mehr berechtigt, die Erstattung (vollständig) zu versagen.

Das Hauptzollamt hat im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden, ob die verbleibenden Verstöße gegen die tierschutzrechtlichen Transportvorschriften, die zum Zeitpunkt des Transportes noch vorgelegen haben könnten, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Erstattung führen.

Da der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 13.3.2008 (C-96/06) der zuständigen Behörde und dem Gericht die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufgegeben hat, hindert das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 27.10.2009 (4 K 174/08) eine Entscheidung in der Sache nicht.

 

Normenkette

EGV 615/98 Art. 1; VO (EG) Nr. 615/98 Art. 5 Abs. 2-3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.05.2011; Aktenzeichen VII R 40/10)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Mit Ausfuhranmeldung vom 8.3.1999 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt A insgesamt 35 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 9000 zur Ausfuhr in den Libanon an und beantragte hierfür beim beklagten Hauptzollamt unter dem 17.3.1999 die Gewährung von Ausfuhrerstattung.

Nachdem das beklagte Hauptzollamt in der Folgezeit festgestellt hatte, dass die von der Klägerin in den Libanon ausgeführten Tiere mit dem Schiff "B" transportiert worden waren und dass dieses Schiff in einer sog. Negativliste der Europäischen Kommission vermerkt war, lehnte es mit Bescheid vom 1.2.2001 den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Ausfuhrerstattung mit der Begründung ab, das von der Klägerin eingesetzte Schiff "B" habe zum Zeitpunkt der Ausfuhr nicht den Bestimmungen der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport entsprochen und sei deshalb nicht für den Lebendviehtransport zugelassen gewesen.

Den gegen den Ablehnungsbescheid vom 1.2.2001 gerichteten Einspruch der Klägerin wies das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 18.5.2001 zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus: Nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 werde die Ausfuhrerstattung u.a. für die Tiere nicht gezahlt, bei denen die zuständige Behörde aufgrund sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 zu dem Schluss komme, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden sei. Das für den streitgegenständlichen Transport der Tiere eingesetzte Schiff sei am 18. und 19.2.1997 von einem tierärztlichen Sachverständigen des Lebensmittel- und Veterinäramtes der Europäischen Kommission im Hafen von C/Slowenien besichtigt worden. Dieser habe festgestellt, dass das Schiff aus verschiedenen Gründen der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport nicht entsprochen habe. So hätten sich die Laufstege, der Zutritt zu den Durchgängen, die Pferche und die Rohrleitungen in einem Zustand befunden, der bei den Tieren zu Verletzungen führen könne (Verstoß gegen Richtlinie 91/628/EWG Kapitel I des Anhangs Nr. 17). Auch seien die Laufstege, der Zutritt zu den Durchgängen und die Pferche nicht ausbruchsicher gewesen (Verstoß gegen Richtlinie 91/628/EWG Kapitel I des Anhangs Nr. 2 c). Die hölzernen und metallenen Laufstege, der Zutritt zu den Durchgängen und die Pferche seien zudem abgenutzt, rostig und rau gewesen. Sie hätten sich in einem Zustand befunden, in dem sie schwer zu reinigen und zu desinfizieren gewesen wären (Verstoß gegen Richtlinie 91/628/EWG Kapitel I des Anhangs Nr. 2 c i.V.m. Nr. 8). In den meisten Bereichen der Oberdecks hätten sich überdies keine Schutzvorkehrungen gegen See- und Witterungseinflüsse befunden (Verstoß gegen Richtlinie 91/628/EWG Kapitel I des Anhangs Nr. 18). Angesichts dieser Mängel habe die Generaldirektion XXIV der Europäischen Kommission das Schiff "B" als nicht für den Transport von Lebendvieh im Sinne der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport geeignet qualifiziert (Kommissionsdokument vom 28.2.1997, VI/1963/97, sog. Negativliste). Erst im Kommissionsdokument vom 24.1.2000 (DGXXIV/D30205) sei das Schiff "B" im Anschluss an eine im November 1999 vorgenommene Überprüfung nicht mehr als für den Lebendviehtransport ungeeignet aufgeführt worden. Der früheste amtlich dokumentierte Zeitpunkt, zu dem das Schiff zweifelsfrei den Vorgaben der Richtlinie entsprochen habe, liege im November 1999 und damit rund 8 Monate nach der in Rede stehenden Ausfuhrsendung.

Mit ihrer am 18.6.2001 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie hebt hervor, dass es im Erstattungsrecht keine Vorschrift gebe, nach der ein Schiff für den Lebendvie...

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