Revision eingelegt (BFH VII R 8/12)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Stromsteuer: Erlass bei Zahlungsunfähigkeit des Letztverbrauchers

 

Leitsatz (amtlich)

Der Stromschuldner hat keinen Anspruch auf Billigkeitserlass der Stromsteuer nur weil sie wegen Zahlungsunfähigkeit des Letztverbrauchers nicht auf ihn abgewälzt werden kann.

 

Normenkette

AO §227; StromStG § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.12.2013; Aktenzeichen VII R 8/12)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Erstattung von Stromsteuer.

I.

Die Klägerin ist ein großes regionales Energieversorgungsunternehmen für Strom, Gas und Wärme. Das Netzgebiet erstreckt sich über weite Teile A und B und versorgt ca. ... Millionen Einwohner mit Energie.

1. Am 11.09.2007 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erstattung von Stromsteuer 2006 nach § 227 AO in Höhe von ... €, weil die jeweiligen Kunden entweder zahlungsunfähig, verstorben oder zahlungsunwillig seien. Die Klägerin habe die Stromsteuer nicht auf diese Endabnehmer abwälzen können, obwohl sie ein zielgerichtetes und straff organisiertes Mahnwesen zur Forderungseintreibung einsetze. Mit Schreiben vom 24.04.2008 reduzierte die Klägerin ihren Antrag auf einen Betrag in Höhe von ... €. Der reduzierte Erstattungsbetrag folge aus der Beschränkung auf Forderungsausfälle infolge von Tod des Kunden, Insolvenz des Kunden (titulierte und nicht titulierte Forderungen und Fälle abgelehnter Insolvenzanträge mangels Masse) und Uneinbringlichkeit bereits titulierter Forderungen; die lediglich zahlungsunwilligen Kunden seien aus dem Erstattungsantrag herausgenommen worden.

2. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Erstattung von Stromsteuer nach einem gemeinsamen Erörterungstermin mit der Klägerin mit Bescheid vom ... ab. Eine Erstattung aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO sei nicht zu gewähren. Etwaige persönliche Billigkeitsgründe beim Stromkunden stellten keinen sachlichen Billigkeitsgrund beim Stromsteuerschuldner dar. Die Stromsteuer sei zwar eine Verbrauchsteuer, zu deren Wesen auch die Abwälzbarkeit auf den Verbraucher gehöre. Die rechtliche Gewähr, dass der direkte Steuerschuldner stets den von ihm entrichteten Betrag von der Person ersetzt erhalte, die nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen solle, gehöre jedoch nicht zum Begriff der Verbrauchsteuer. Abwälzbare Steuern seien einkalkulierbare Geschäftskosten. Es entspreche der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns, den Verlust von Waren und die Uneinbringlichkeit von Forderungen in die Preiskalkulation mit einzubeziehen und insoweit einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Auch persönliche Billigkeitsgründe lägen nicht vor, denn die Klägerin sei nicht erlassbedürftig; es liege keine Existenzgefährdung vor. Eine analoge Anwendung der Entlastungsvorschrift des § 60 EnergieStG komme nicht in Betracht, weil diese Regelung abschließend sei. Aus der Durchführungsverordnung AO-DV Zoll zu § 227 AO Tz. 7.1.4. ergebe sich kein Rechtsanspruch auf den begehrten Erlass. Die Durchführungsverordnung enthalte lediglich eine Aufzählung von Beispielen, in denen ein Erlass erfolgen könne, sofern die Voraussetzungen des § 227 AO vorlägen.

3. Gegen den ablehnenden Bescheid legte die Klägerin am ... Einspruch ein. Sie nahm Bezug auf die Begründung des Erstattungsantrags. Infolge Fehlens einer stromsteuerrechtlichen Spezialregelung müsse die Verwaltung einen Billigkeitserlass nach § 227 AO aussprechen. Maßstab für die Billigkeitsentscheidung habe zu sein, dass die bei einer Verbrauchsteuer vorgesehene Überwälzung der Steuer bei zahlungsunfähigen Kunden gescheitert sei. Bei einer generellen Ablehnung von Billigkeitsmaßnahmen in derartigen Konstellationen liege ein Ermessensfehlgebrauch seitens des Beklagten vor. Eine sachliche Unbilligkeit bei der Klägerin im Sinne des § 227 AO werde insbesondere durch die persönliche Unbilligkeit bei dem jeweiligen Endverbraucher begründet. Aufgrund AO-DV Zoll zu § 227 AO Tz. 7.1.4. bestehe insoweit eine Selbstbindung der Verwaltung, die zu einer Ermessensreduzierung auf Null und zu einem Erlassanspruch und damit zu einem Erstattungsanspruch führe. Mit der Ertragskraft der Klägerin könne die Ablehnung eines Billigkeitserlasses nicht abgelehnt werden.

4. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom ... als unbegründet zurück. In der Begründung vertiefte er sein Vorbringen aus dem Ablehnungsbescheid. Die in § 60 Abs. 1 EnergieStG vorgesehene Steuerentlastung bei Zahlungsunfähigkeit des Kunden sei nicht auf die Stromsteuer übertragbar, weil insoweit keine planwidrige Regelungslücke vorliege. Da die Überwälzung der Stromsteuer durch die Klägerin regelmäßig gelinge, werde der Zweck der Stromsteuer nicht schon deswegen verfehlt, weil die Überwälzung in den streitgegenständlichen Fällen missglückt sei und die Stromsteuer insoweit nicht vom Endverbraucher, sondern vom Energieerzeuger getragen werde. Die Insolvenz des Vertragspartners sei ein von der Klägerin allgemein zu tragendes Risiko. Sofern si...

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