Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersvorsorgezulage: Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 91 Abs. 1 S. 4 EStG

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG begründet nicht nur eine Mitteilungspflicht, sondern stellt auch eine spezialgesetzliche Änderungsnorm im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d AO dar.

2. Die Zuständigkeit für die Berechnung und Überprüfung der Zulage sowie für die Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG liegt bei der zentralen Stelle (§ 81 EStG).

 

Normenkette

AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. d; EStG § 10a Abs. 1 S. 1, Abs. 4, §§ 79, 81, 91 Abs. 1 S. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.09.2020; Aktenzeichen X R 2/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2012 nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) ändern durfte.

Die Kläger wurden in den Streitjahren 2010 bis 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als landwirtschaftlicher Unternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ist seit dem 1. Januar 2003 in der landwirtschaftlichen Alterskasse versichert.

Seit mehreren Jahren zahlt der Kläger in eine private Rentenversicherung nach dem Altersvermögensgesetz (AVmG) bei der A Versicherung ein (sogenannte Riester-Rente). Unter dem 29. Dezember 2005 unterzeichnete der Kläger einen Antrag auf Rentenversicherung mit der Angabe "Zulageberechtigung: ...über Ehegatten förderberechtigt". In den Jahren 2010 bis 2013 zahlte der Kläger jeweils Beiträge in Höhe von 1.946,04 € und erhielt eine Zulage in Höhe von 154 €. Auch die Klägerin unterhält beim selben Anbieter einen Rentenversicherungsvertrag, der unter das AVmG fällt.

Die Kläger machten in ihren Steuererklärungen der Streitjahre jeweils einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG für die Beiträge ihrer Riester-Rentenversicherungen geltend. In der den Steuererklärungen jeweils beigefügten "Anlage AV" gaben sie an, jeweils unmittelbar begünstigt zu sein. Der Beklagte veranlagte die Kläger in den Streitjahren durch Einkommensteuerbescheide vom 13. Januar 2012 (2010), vom 8. Februar 2013 (2011) und vom 12. Februar 2014 (2012) antragsgemäß und gewährte dem Kläger im Hinblick auf den Altersvorsorgevertrag einen Sonderausgabenabzug in Höhe von 2.100 €. Der Klägerin wurde ebenfalls für die in ihren Altersvorsorgevertrag eingezahlten Beiträge ein Sonderausgabenabzug gewährt. Auch für das Jahr 2013 wurden die Kläger antragsgemäß unter Gewährung des geltend gemachten Sonderausgabenabzugs veranlagt. Als Steuerermäßigung wegen berücksichtigter Altersvorsorgebeiträge wurde im Jahr 2010 für den Kläger ein Betrag von 375,92 € und für die Klägerin ein Betrag von 139,08 € nach § 10a Abs. 4 EStG gesondert und einheitlich festgestellt (2011: 288,32 € für den Kläger und 106,68 € für die Klägerin; 2012: 451,83 € für den Kläger und 167,17 € für die Klägerin).

Der Beklagte änderte die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre durch Bescheide vom 8. Februar 2013 (2010), vom 12. Februar 2014 (2011) und vom 26. Januar 2015 (2012). Die durch diese Bescheide vorgenommenen Änderungen stehen zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Am 26. Januar 2015 machte die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (zentrale Stelle) dem Beklagten folgende Mitteilung über eine abweichende Berechnungsgrundlage:

"Von der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) wurden die folgenden abweichenden Berechnungsgrundlagen nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG mitgeteilt:

Werte lt. ZfA

Werte lt. FA

Kz XXX

Berechtigung

mittelbar (2)

unmittelbar (1)"

Daraufhin erließ der Beklagte am 31. März 2015 Änderungsbescheide, in denen der Kläger lediglich als mittelbar zulagenberechtigt berücksichtigt wurde. Zugleich stellte der Beklagte als Steuerermäßigung wegen berücksichtigter Altersvorsorgebeiträge für das Jahr 2012 einen Betrag in Höhe von 19,13 € für den Kläger und in Höhe von 23,87 € für die Klägerin gesondert und einheitlich fest. Für die Jahre 2010 und 2011 änderte er die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 10a Abs. 4 EStG insoweit als sich die Steuerermäßigung nunmehr auf 0 € belief.

Am 7. April 2015 legten die Kläger Einspruch gegen die "Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2013" ein. Der Einspruch richte sich gegen die Änderung aufgrund einer Mitteilung der zentralen Stelle. Entgegen der Auskunft der zentralen Stelle habe er, der Kläger, einen unmittelbaren Zulagenanspruch. Er sei in der Alterssicherung der Landwirte versichert und somit nach § 10a Abs. 1 Satz 3 EStG den in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Personen gleichgestellt. Als unmittelbar Zulagenberechtigter habe er nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG einen Anspruch auf Sonderausgabenabzug in Höhe des Höchstbetrags von 2.100 €. In der Anlage reichten die Kläger unter anderem Bescheinigungen nach § 92 EStG der A Versicherung für den Kläger betreffend die Jahre 2010 bis 2013 ein, aus denen sich ergibt, dass der Kläger jeweils einen Anspruch auf die ...

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