Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindungszahlungen an Mieter als Werbungskosten oder Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten. Einkommensteuer 1984

 

Leitsatz (amtlich)

Abfindungszahlungen, die ein Grundstückskäufer an die Mieter des Grundstücks leistet, um dieses selbst nutzen zu können, sind als –vorab entstandene– Werbungskosten sofort abzugsfähig, da sie in einem inneren Zusammenhang mit den durch die Selbstnutzung im Streitjahr 1984 nach § 21 Abs. 2 EStG erzielten Einkünften stehen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, § 21 Abs. 2; HGB § 255 Abs. 2

 

Tenor

Die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 31.10.1985 wird aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 13.8.1985 wird dahin geändert, daß die Einkommensteuer 1984 auf 42 160 DM festgesetzt wird.

Die Kosten des Verfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger erwarben mit notariellem Vertrag vom 6.11.1984 das Grundstück … in Hamburg 32 zu Miteigentum je zur Hälfte für einen Kaufpreis von 390 000 DM. Übergabe- und Verrechnungstag war der 1.1.1983, Zu diesem Tag traten die Kläger nach § 7 des Vertrags in die sich aus den Mietverhältnissen ergebenden Rechte und Verpflichtungen ein. Das als Einfamilienhaus bewertete Grundstück war von drei Mietparteien bewohnt. Die Kläger erwarben das Haus, um dort selbst zu wohnen. Am 6.11.1984 schlossen sie vor der öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle mit zwei Mietvertragsparteien jeweils einen Vergleich. Darin verpflichteten sieh die Mietvertragsparteien für den Fall, daß ein wirksamer Kaufvertrag zustande kommen sollte, gegen Zahlung von jeweils 14 000 DM ihre Wohnungen an die Kläger herauszugeben. Die Kläger zahlten noch 1984 an die beiden Mietparteien je 14 000 DM. Mit der dritten Mietpartei wurde 1983 eine Einigung erzielt. Am 3.7.1985 bezogen die Kläger das Haus, nachdem sie Umbauarbeiten hatten durchführen lassen.

Mit Bescheid vom 13.8.1985 setzte der Beklagte die ESt 1984 der Kläger nach einem zu versteuernden Einkommen von 152 246 DM unter Anwendung der Splittingtabelle auf 56 662 DM fest. Dabei berücksichtigte er die Abstandszahlungen an die Mieter von 28 000 DM nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, da sie seiner Auffassung nach zu den Anschaffungskosten des Grundstücks gehörten. Den Einspruch vom 3.9.1985 wies er mit Entscheidung vom 31.10.1985, zugestellt am 4.11.1985, als unbegründet zurück.

Mit ihrer am 2.12.1985 erhobenen Klage machen die Kläger geltend; Die Abstandszahlungen an die Mieter gehörten nicht zu den Anschaffungskosten des Grundstücks. Es sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unerheblich, ob eine Räumungsabsicht bereits bei Erwerb des Grundstücks vorgelegen habe oder erst später gefaßt worden sei. Ebenso sei unerheblich, ob die Abfindung vor oder nach dem Erwerb gezahlt werde. Die Höhe des Kaufpreises sei von den Abfindungszahlungen unabhängig gewesen. Der Kaufpreis habe festgestanden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 31.10.1985 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 13.8.1985 dahin zu ändern, daß weitere Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung von 28 000 DM berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend; Die Abstandszahlungen gehörten zu den Anschaffungskosten des Grundstücks. Sie hätten in sachlichem Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb gestanden. Denn sie seien in die Kaufpreiskalkulation einbezogen worden. Selbst wenn der Kaufpreis festgestanden haben sollte, wahren solche Abstandszahlungen maßgebend für den Kaufentschluß gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Dem Senat hat die Einkommensteuer-Akte I des Beklagten zu Steuernummer … vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Zu Unrecht hat der Beklagte den Abzug der Abfindungen als Werbungskosten abgelehnt.

Die Kläger haben die Abfindung gezahlt, um das Haus, wie von Anfang an geplant, selbst nutzen zu können. Diese Absicht ist 1985 auch verwirklicht worden. Die Selbstnutzung erfüllte sowohl im Streitjahr wie auch bei ihrem Beginn im Folgejahr gemäß § 21 Abs. 2 EStG den Tatbestand der Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte, Ausgaben, die vor Beginn der Selbstnutzung getätigt worden sind, stellen sog. vorab entstandene Werbungskosten dar, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit den späteren Einnahmen stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies ist bei den Abfindungszahlungen unstreitig der Fall.

Nicht als Werbungskosten sofort abzugsfähig sind allerdings die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern, die der Einkunftserzielung dien...

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