Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmäßigkeit des Auskunftsersuchens der Steuerfahndung. Auskunftsersuchen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in § 93 Abs. 2 AO geforderte Angabe über den Zweck der Auskunftseinholung (Anforderung für die Besteuerung des Steuerpflichtigen oder anderen Personen) gehört – ebenso wie die Angabe der Rechtsgrundlage und ein Hinweis darauf, dass Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ermittlung bestehen – zu der in § 121 AO allgemein für Verwaltungsakte vorgesehenen Begründung. Fehlen Angaben über Grund und Zweck des Auskunftsverlangens, liegt ein Fehler vor, der gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO bis zum Ergehen der Beschwerdeentscheidung geheilt werden kann.

2. Im Gegensatz zu den Ermittlungen im Steuerstrafverfahren nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 2 AO setzt das Tätigwerden der Steuerfahndung im Fall des § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO keinen Anfangsverdacht voraus. Ausreichend ist vielmehr die Möglichkeit einer Steuerstraftat bzw. Steuerordnungswidrigkeit oder einer objektiven Steuerverkürzung. Hierfür genügen abstrakte Anhaltspunkte, also auch eine allgemeine Erfahrung, nach der die Möglichkeit einer Tatbestandverwirklichung in Betracht kommt. Hier: Rechtmäßigkeit eines an einen Makler von Motor- und Segelyachten gerichteten Auskunftsersuchens der Steuerfahndung zur Angabe der Namen und Anschriften von Verkaufsinteressen kostspieliger Yachten.

 

Normenkette

AO 1977 § 93 Abs. 2, §§ 121, 208 Abs. 1 Nr. 3, § 126 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 208 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens fallen der Klägerin zur Last.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, die ihren Sitz in W. hat, betreibt die Vermakelung von Motor- und Segelyachten. Anläßlich der Internationalen Bootsausstellung „hanseboot 85”, die im Oktober 1985 in Hamburg stattfand, gab sie das Anzeigenheft „Angebo(o)te – der Verkaufsanzeiger für Motor- und Segelyachten” heraus, das Verkaufsanzeigen für 148 Yachten enthielt, mit deren Verkauf die Klägerin beauftragt worden war. Das Heft lag im Messegelände zur freien Verfügung der Besucher aus.

Mit Schreiben vom 25.10.1985 (ohne Rechtsmittelbelehrung) bat der Beklagte (Steuerfahndungsstelle) unter Hinweis auf die §§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 93 AO die Klägerin um die Aufgabe von Namen und Anschriften ihrer Kunden für 34 im einzelnen bezeichnete Yachten, die in dem Anzeigenheft zu Preisen zwischen 273 000 DM und 1 425 000 DM zum Verkauf angeboten wurden. In einem späteren Schreiben – vom 15.11.1985 – erläuterte er das Auskunftsersuchen dahin, es diene der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle und beziehe sich auf die Kunden der Klägerin; für die Besteuerung der Klägerin selbst würden die Angaben nicht benötigt.

Die dagegen am 11.11.1985 eingelegte Beschwerde wies die OFD, Hamburg mit Beschwerdeentscheidung vom 4.2.1986, zugestellt am 8.2.1986, als unbegründet zurück. In den Gründen ihrer Entscheidung führte sie aus, die Steuerfahndung sei im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO berechtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen Beteiligte oder andere Personen Anzuhalten, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Da Beteiligte erst noch festgestellt werden sollten, habe sich der Beklagte an eine „andere Person”, nämlich die Klägerin, wenden dürfen. Aus dem gleichen Grunde habe er seine Ermittlungen nicht auf Steuerfälle begrenzen können, von denen bekannt sei, daß sie steuerlich nicht erfaßt worden seien. Er habe auch, indem er von 148 Verkaufsanzeigen 34 zum Gegenstand seiner Ermittlungen gemacht habe, sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Daß in diesen Fällen die objektive Möglichkeit einer Steuerverkürzung gegeben sei, habe sich für den Beklagten aus den von der Steuerfahndung in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen ergeben. Diese habe in einer Vielzahl von Fällen festgestellt, daß Yachten vermögensteuerlich nicht erfaßt wurden und daß die Anschaffungs- und Unterhaltskosten aus dem dem zuständigen Finanzamt bisher bekannten Einkommen und Vermögen der Eigentümer nicht finanzierbar waren.

Die Klägerin hat am 4.3.1986 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im wesentlichen vorträgt:

Der Beklagte sei sachlich und funktionell für das Auskunftsersuchen unzuständig. Seine Organisation als selbständiges Finanzamt verstoße gegen das Finanzverwaltungsgesetz (FVG), auch fehle ihm die örtliche Zuständigkeit für ein Vorgehen gegen die Klägerin, die ihre geschäftliche Tätigkeit vorwiegend an ihrem Sitz in W. entfalte. Aus § 25 AO ergebe sich eine vorrangige Zuständigkeit für die Steuerfahndung Kiel; § 24 AO begründe jedenfalls nur eine Ersatzzuständigkeit.

In formeller Hinsicht fehle in dem angefochtenen Auskunftsersuchen vom 25.10.1985 die nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO erforderliche Angabe, ob die Auskunft für die Besteuerung der Klägerin oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert werde. Die nachträgliche Erläuterung genüge diesen Anforderungen ni...

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