Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsrechtliche Zweifel am Zinssatz von 5,5 % für die Abzinsung von Verbindlichkeiten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehen ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Zinssatzes von 5,5 % für die Abzinsung von Verbindlichkeiten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. In einer anhaltenden Niedrigzinsphase hat dieser typisierende Zinssatz den Bezug zum langfristigen Marktzinsniveau verloren.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3; FGO § 69 Abs. 3

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Abzinsung von Verbindlichkeiten aus den Jahren 2013 und 2015, den Streitjahren.

Die Antragstellerin ist eine GmbH (C). Sie betreibt den In- und Export und Handel von Orientteppichen. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Vermögensvergleich. Unter dem ... 2001 schloss sie mit der pakistanischen Firma A (..., B) folgende Vereinbarung:

1. Die Firma A liefert Teppiche zum Verkauf an die Firma C.

2. Die Firma C erhält für den Verkauf der gelieferten Teppiche 7% Kommission vom Umsatz. Die Transportkosten aus dem Ausgangsland bis zum Lager der Firma C übernimmt die Firma A.

3. Gewöhnlich werden die Teppiche aus dem Lager heraus an die Kunden verkauft. Die Kunden kaufen die Teppiche unter der Bedingung des Lagers oder unter der Bedingung ihrer Firma. Die Firma C ist verpflichtet, die Transportkosten dem Kaufpreis zuzufügen. In diesem Falle werden die Transportkosten mit dem Kaufpreis verrechnet.

4. Die Firma C ist verpflichtet, den Kaufpreis nach dem aktuellen Marktpreis zu berechnen. Wenn die Marktpreise nicht rentabel sein sollten, ist dies der Firma A mitzuteilen und ihr Einverständnis zum Verkauf einzuholen.

5. Wenn die Kunden die Zahlung verzögern oder gar nicht zahlen, ist die Firma C verpflichtet, den Kaufbetrag nebst Kosten laufend einzufordern. Falls die Forderungen nicht wirken, soll sie durch einen Rechtsanwalt gesetzliche und gerichtliche Wege in Betracht ziehen. Die Firma A hat das Recht, sämtliche Unterlagen des Streites zur Ansicht zu erhalten, wenn sie sie anfordert. Freilich werden die Kosten zu gleichen Anteilen von den Firma C und A getragen. Es ist zu erwähnen, dass die Firma C Kommission von dem erhaltenen Zahlungsbetrag bekommt.

6. Die Firma C ist verpflichtet, die Verkaufsbeträge nach Anweisung der Firma A zu jeder Zeit ihrer Bestimmung nach, auf das Konto der erwähnten Personen, Firmen zu überweisen.

Auf der Grundlage dieser Vereinbarung wickelte die Antragstellerin in der Folgezeit den Handel mit der Firma A ab. In den Rechnungen der Antragstellerin an ihre Kunden, die auf ihrem Geschäftspapier gefertigt wurden, heißt es im Rubrum: "Wir verkaufen an Sie im Namen und für Rechnung des Abladers".

Die Antragstellerin buchte auf einem "Verrechnungskonto Ablader" die eingehenden Kauferlöse, ihre Provisionen, die auftragsgemäß ausgeführten Zahlungen an Dritte sowie Verbindlichkeiten als bilanzielle Gegenpositionen zu den Forderungen in Höhe der jeweils ausgestellten Rechnungen. Am 7. Dezember 2015 vereinbarte die Antragstellerin mit der Firma A, dass deren Verrechnungskonto ab 1. Januar 2016 mit 3 % per anno verzinst werden sollte.

Nach einer Außenprüfung für die Streitjahre erließ der Antragsgegner unter dem 12. Dezember 2017 geänderte Körperschaft- und Gewerbesteuermessbescheide, mit denen die Verbindlichkeiten auf dem Abladerkonto mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten abgezinst wurden. Dabei wurde der am Jahresende verbleibende Saldo auf dem Verrechnungskonto um die im jeweiligen Jahr hinzugekommenen Verbindlichkeiten bereinigt und mit einem Faktor von 0,503 abgezinst.

Im Einzelnen ergab sich folgende Berechnung:

...

Dies führte zu folgenden Mehr- und Mindergewinnen:

2013 x.xxx.xxx €

2014 ./. xxx.xxx €

2015 xxx.xxx €.

Hiergegen richteten sich die Einsprüche vom 29. Dezember 2017. Zugleich beantragte die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung (AdV), die der Antragsgegner unter dem 15. Januar 2018 ablehnte. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ebenso erfolglos wie ein neuerlicher AdV-Antrag vom 12. März 2018.

Am 22. Juni 2018 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht nachgesucht.

Die Verbindlichkeiten auf dem Verrechnungskonto des Abladers stellten keine langfristigen Verbindlichkeiten dar. Das Geld werde nur provisorisch (treuhänderisch) für den Ablader verwaltet. Dieser belasse es auf dem Verrechnungskonto für Einkäufe, den Ausgleich von Verbindlichkeiten gegenüber internationalen Handelspartnern, Verrechnungen und andere Zahlungen. Sobald der Ablader sein Geld einfordere, sei es unverzüglich auszuzahlen. Hintergrund für diese Absprachen seien die Einschränkungen im internationalen Zahlungsverkehr, denen der Ablader in Pakistan unterliege.

Mit dem Eingang der Zahlung bei ihr, der Antragstellerin, entstehe eine Verbindlichkeit auf Herausgabe des Erlangten gem. § 384 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB), die sofort fällig sei. Der eingehende Kaufpreis sei das Surrogat für den Verkauf der Kommissionsware und damit dem Ablader...

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