vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kinderfreibetrag: Günstigerprüfung nach § 31 EStG – Berücksichtigung der Steuerermäßigungen nach §§ 34c, 34g, 35a EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Günstigerprüfung nach § 31 EStG ist die Minderung der tariflichen Steuer um die Steuerermäßigungen nach § 34c EStG, § 34g EStG und § 35a EStG nicht zu berücksichtigen

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 6, § 22 Nr. 4 S. 4 Buchst. d, § 31 Sätze 1, 4, § 32 Abs. 6, § 34c Abs. 1, §§ 34g, 35a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.04.2021; Aktenzeichen III R 34/19)

 

Tatbestand

Der Kläger erzielt Entschädigungen von 97.401,30 EUR (sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 4 Satz 1 des EinkommensteuergesetzesEStG-). Auf diesen Betrag erhob die EU eine Gemeinschaftssteuer von 21.396,30 EUR.

Der Kläger hat einen im Jahr 1997 geborenen Sohn. Dieser wohnt seit 2010 bei seiner vom Kläger dauernd getrennt lebenden (und zwischenzeitlich geschiedenen) Mutter, die das Kindergeld bezieht (im Streitjahr 2015: 2.256 EUR); den Kinderfreibetrag nimmt antragsgemäß in voller Höhe der Kläger in Anspruch. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2015 ergab die vom Beklagten vorgenommene Günstigerprüfung nach § 31 EStG, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes durch den Kindergeldanspruch vollständig bewirkt worden war. Im Einkommensteuerbescheid 2015 vom 09.08.2017 unterblieb daher der Abzug des Kinderfreibetrages nach § 32 Abs. 6 EStG.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, die Günstigerprüfung sei unzutreffend durchgeführt. Zu Unrecht habe der Beklagte nicht, wie es geboten sei, die tarifliche Einkommensteuer mit und ohne Kinderfreibetrag gegenüber gestellt, sondern habe das Ergebnis nach Steueranrechnung i. S. von § 34c EStG verglichen. Die zutreffende Methode hätte ergeben, dass der Ansatz des Kinderfreibetrages um 748 EUR günstiger sei und die festzusetzende Einkommensteuer 175 EUR betrage (statt bisher: 923 EUR).

Der Beklagte wies – nach Rücksprache mit der Oberfinanzdirektion – den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29.03.2018 als unbegründet zurück. Die Günstigerprüfung führte er wie folgt durch:

a) Lt. angefochtenem Bescheid

zvE

75.283 EUR

Steuer nach Grundtarif

23.357 EUR

Anrechnung gezahlte EU-Steuer entsprechend § 34 Abs. 1 EStG

./. 21.397 EUR

Ermäßigung wegen Zuwendungen an politische Parteien § 34g EStG

./. 825 EUR

Ermäßigung HH-nahe Dienstleistung § 35a EStG

./. 212 EUR

Festzusetzende Steuer

923 EUR

b) Berechnung mit KinderFB

zvE

68.131 EUR

Steuer nach Grundtarif

20.353 EUR

Anrechnung gezahlte EU-Steuer entsprechend § 34 Abs. 1 EStG; max. bis 0 EUR

./. 20.353 EUR

Ermäßigung wegen Zuwendungen an politische Parteien § 34g EStG

./. 0 EUR

Hinzurechnung Kindergeld

+ 2.256 EUR

Ermäßigung HH-nahe Dienstleistung § 35a EStG

./. 0 EUR

Festzusetzende Steuer

2.256 EUR

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, das er im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die angefochtene Besteuerung verstoße gegen Europarecht. Das Abgeordnetenstatut habe den Mitgliedstaaten die Option einer nationalen Steuer (neben der EU-Steuer) nur für den Fall eröffnet, dass eine Doppelbesteuerung vermieden werde. In Deutschland habe dieses Ziel gemäß § 22 Nr. 4 Satz 4 EStG mit analoger Anwendung des § 34c EStG erreicht werden sollen. Die Behandlung der EU-Steuer durch den Beklagten als Steuerermäßigung nach § 34c EStG führe demgegenüber zu einer Doppelbesteuerung, weil Steueranrechnungen von 2.081 EUR verloren gingen. Hätte sich der Kläger nach dem Abgeordnetenstatut zum vollständigen Verbleib im nationalen Recht entschieden, wäre der Kinderfreibetrag angesetzt worden; daher sei der Gleichheitssatz des Art. 3 des GrundgesetzesGG- verletzt.

Der Bescheid des Beklagten sei auch mit dem nationalen Steuerrecht nicht vereinbar: Nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG sei auf die „ausländischen” Einkünfte der Durchschnittssteuersatz anzuwenden – hier 31,03 % -, sodass auf die „ausländischen” Abgeordneteneinkünfte eine deutsche Steuer von 30.199 EUR entfalle. Die gezahlte EU-Steuer von 21.396 EUR liege unter diesem Anrechnungshöchstbetrag und sei deshalb zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ungekürzt anzurechnen. Zudem sei die vom Beklagten durchgeführte Günstigerprüfung nach nationalem Recht nicht folgerichtig, weil der Vergleich der Steuerwirkungen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 EStG steuersystematisch auf der falschen Ebene ansetze. Vergleiche man gemäß § 31 EStG die tarifliche ESt ohne Ansatz des Kinderfreibetrages (23.357 EUR) mit der tariflichen ESt nach Ansatz des Kinderfreibetrages (20.353 EUR), ergebe sich durch den Freibetrag eine Entlastung von 3.004 EUR – die somit um 748 EUR höher sei als das Kindergeld von 2.256 EUR. Die Steuerermäßigungen nach §§ 34c, 34g, 35a EStG gehörten nicht in das Prüfschema des § 31 EStG. Die Steuer sei daher wie folgt festzusetzen:

zvE

68.131 EUR

Steuer nach Grundtarif

20.353 EUR

Hinzurechnung Kindergeld

+ 2.256 EUR

Tarifliche ESt vor Steuerermäßigu...

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