vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlassung von Gratisaktien – Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Arbeitslohn in Gestalt einer Gratisaktie im Wert von 14,50 € pro Arbeitnehmer unterliegt im Hinblick auf die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht dem Lohnsteuerabzug.
  2. Der in § 19 a Abs. 8 Satz 1 EStG angeordnete Ansatz des Werts der Aktie mit dem gemeinen Wert verdrängt als Sonderregelung nur den sonst für die Bewertung von Sachbezügen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusetzenden üblichen Endpreis am Abgabeort, trifft aber keine Bewertungsaussage über die Höhe des nach § 8 Abs. 2 Sätze 1 und 9 EStG zu ermittelnden geldwerten Vorteils.
  3. Die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG (Vereinfachungsregelung) einerseits und der Freibetrag nach § 19a Abs. 1 EStG (Vergünstigungsvorschrift) sind im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielsetzungen nebeneinander anwendbar.
 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 2 Sätze 1, 9, § 19a Abs. 1, 3, 8 S. 1

 

Streitjahr(e)

1999

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 06.07.2011; Aktenzeichen VI R 35/10)

BFH (Beschluss vom 06.07.2011; Aktenzeichen VI R 35/10)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Überlassung von Gratisaktien an Arbeitnehmer der Klägerin zu Arbeitslohn führt und – falls dies der Fall sein sollte – ob im Einzelfall im Hinblick auf den Wert der Aktien angesichts der Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 9 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 1999 gültigen Fassung (EStG) eine Steuerpflicht dieses Sachbezugs mit der Folge ausgeschlossen ist, dass insoweit eine Lohnsteuer-Nachforderung gegenüber der Klägerin ausscheidet.

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, ging am 14. Juni 1999 an die Börse. Der Ausgabekurs der Aktien lag bei 14,50 Euro (28,36 DM). Die Klägerin agierte seinerzeit über verschiedene Tochter- und Betriebsführungsgesellschaften. Im Gegensatz zu den Mitarbeitern der Tochtergesellschaften waren die der Betriebsführungsgesellschaften ausschließlich Arbeitnehmer der Klägerin. Anlässlich des Börsenganges räumte die Klägerin ihren eigenen Arbeitnehmern bzw. den Arbeitnehmern der Tochtergesellschaften die Möglichkeit ein, über ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm Anteile an ihrem Unternehmen zu erwerben, auch um einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, sich für das Unternehmen einzusetzen. Im Rahmen einer Informationsbroschüre zum Mitarbeiterbeteiligungskonzept führte die Klägerin hierzu aus, dass den Mitarbeitern drei Module für eine eventuelle Mitarbeiterbeteiligung angeboten werden würden. Modul 2 sehe neben der Möglichkeit der Zeichnung von Mitarbeiteraktien in einem Gesamtwert von 300 DM bis – gestaffelt – zu 1.500 DM vor, dass man je Aktie, die man nach dem angekreuzten Gesamtwert garantiert erhalten werde, zusätzlich eine Call-Option unentgeltlich erhalte. Darüber hinaus erhalte jeder Teilnehmer am Modul 2 eine Gratisaktie der Klägerin und eine weitere Call-Option als Geschenk. Hinsichtlich der Rahmenbedingungen für Modul 2 ist weiterhin ausgeführt, dass die Laufzeit der Call-Optionen insgesamt vier Jahre betrage. Frühestens nach einer Frist von zwei Jahren könne die Call-Option innerhalb bestimmter Zeiträume ausgeübt werden. Die Aktien aus Modul 2 unterlägen dabei einer „Sperrfrist” von zwei Jahren. Sofern die Aktien während dieser Frist dennoch veräußert werden würden oder der betreffende Arbeitnehmer aus dem Konzern der Klägerin ausscheiden sollte, würden die beigefügten Call-Optionen verfallen. Eine Ausübung der Call-Optionen sei erst möglich, wenn das Kursziel von mindestens 5 % Kurssteigerung pro Jahr erreicht werde. Die Call-Optionen könnten nur als Gesamtheit ausgeübt werden (Vollausübung). Bei Ausübung der Call-Optionen könnten dann weitere Aktien zum Platzierungspreis gekauft werden, auch wenn bis dahin die Aktie an der Börse zu einem wesentlich höheren Kurs gehandelt werden würde. Die Call-Optionen würden daher kein zusätzliches Risiko, sondern vielmehr nur die Chance auf einen weiteren Gewinn beinhalten. Der bei der Ausübung dieser Call-Option entstehende Gewinn sei allerdings als geldwerter Vorteil auch lohnsteuerpflichtig.

Für die Begleichung des Kaufpreises – auch betreffend die im Rahmen des Moduls 2 erworbenen Aktien – bestanden drei Zahlungsmöglichkeiten, wobei eine Zuweisung der Aktien – inklusive der Gratisaktie – erst nach Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte. Neben der Möglichkeit der Zahlung im Wege einer Einzugsermächtigung war eine Verrechnung mit der Gehaltszahlung für den Monat August 1999 bzw. eine ratenweise Zahlung über drei Monate, beginnen mit dem Monat Juli 1999, vorgesehen. Die Zeichnungsfrist der Mitarbeiter für den Erwerb der Aktien im Rahmen des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms endete bereits am 1.5.1999.

Vor dem Börsengang begehrte die Klägerin im Rahmen einer lohnsteuerlichen Anrufungsauskunft nach § 42e EStG von dem Beklagten als Betriebsstättenfinanzamt der Klägerin die Feststellung, ob die Überlassung der Gratisaktie zu einem steuerpflichtigen Arbeit...

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