Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderausgabenabzug: Erledigung eines Basisrentenvertrags aufgrund gerichtlichen Vergleichs als rückwirkendes Ereignis – Abgrenzung zwischen Beitragsrückzahlung und Schadensersatzleistung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs unter Erledigung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche der Parteien von dem Versicherungsunternehmen eine in Teilhöhe den entrichteten Beiträgen für einen Basisrentenvertrag nach dem Rürup-Modell entsprechende Zahlung an den vormaligen Rentenberechtigten geleistet, so liegt darin ein rückwirkendes Ereignis, das – gleichviel, ob es sich hierbei um eine Beitragsrückzahlung oder Schadensersatzleistung handelt – jedenfalls im Umfang der durch die Vergleichszahlung entfallenen wirtschaftlichen Belastung hinsichtlich der nun nicht mehr dem Aufbau einer Altersversorgung dienenden Beitragszahlungen die Korrektur des Sonderausgabenabzugs unter Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für die vorangegangenen, nicht festsetzungsverjährten Jahre gestattet.
  1. Eine solche rückwirkende Änderung des Sonderausgabenabzugs ist allerdings nur vorzunehmen, soweit eine Anpassung im Jahr der Vergleichszahlung mangels Verrechnungsmöglichkeiten innerhalb des Sonderausgabentatbestandes nicht möglich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 19.01.2010 X B 32/09, BFH/NV 2010, 1250).
 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 Nr. 2 S. 1, § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 b) aa) S. 1, Abs. 4b S. 3; BGB § 249 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2013, 2014, 2015, 2016

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt war, am 26.03.2018 aufgrund einer Mitteilung der… AG-Versicherung (AG) geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2016 zu erlassen.

Die Klägerin (geb. ...1954) schloss im Jahr 2010 bei der AG einen Basisrentenvertrag (...) ab. Es handelte sich um ein sogenanntes Rürup-Rentenmodell.

Für die Streitjahre 2013 bis 2016 reichte die Klägerin ihre Einkommensteuererklärungen jeweils in dem Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahr ein. Die jährlich an die AG gezahlten Beiträge (monatlich 300,- EUR) für den Basisrentenvertrag wurden jeweils erklärungsgemäß (vgl. Anlage Vorsorgeaufwendungen) als beschränkt abziehbare Sonderausgaben bei der Einkommensteuerfestsetzung steuermindernd berücksichtigt:

Einkommensteuer

 Bescheid vom

 Beitrag

 davon abziehbar

 2013

 07.10.2014 (12.12.2016)

 3.600,- EUR

 2.736,- EUR

 2014

 12.02.2016

 3.600,- EUR

 2.808,- EUR

 2015

 07.10.2016

 3.600,- EUR

 2.880,- EUR

 2016

 09.10.2017

 3.600,- EUR

 2.952,- EUR

Bis September 2017 leistete die Klägerin weiterhin Beiträge an die AG. Danach erhielt sie die Mitteilung, dass sie nunmehr in die Verrentungsphase kommen würde. Tatsächlich erfolgten dann aber keine Leistungen der AG aus dem Basisrentenvertrag, weil die Klägerin gegen die AG einen Prozess vor dem Landgericht Z (...) führte, welcher mit folgendem Vergleich in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2018 endete:

„ Vergleich:

1.

Die Beklagte zahlt an die Klägerin den Betrag von 20.000,- EUR, zu Händen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin.

2.

Damit sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien gegeneinander aus dem verfahrensgegenständlichen Vertragsverhältnis, bekannt oder unbekannt, gegenwärtig oder zukünftig, sowie der Rechtsstreit erledigt. Außerdem ist damit der Vertrag zwischen den Parteien beendet.

Auf den weiteren Inhalt des Sitzungsprotokolls der vom 31.01.2018 (...) wird Bezug genommen (vgl. Einkommensteuerakte).

Nach Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens teilte die AG dem Beklagten Folgendes mit (Mitteilung vom 08.03.2018):

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Versicherungsnehmerin hat dem oben genannten Basisrentenvertrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 b) aa) EStG auf Grundlage des BGH-Urteils vom 29.07.2015 widersprochen. Wir haben deswegen den Vertrag ab Beginn aufgehoben.

In der Vergangenheit hatten wir folgende Beiträge bescheinigt:

Beitragsjahr

 Betrag

 2010

 1.200,- EUR

 2011

 3.600,- EUR

 2012

 3.600,- EUR

 2013

 3.600,- EUR

 2014

 3.600,- EUR

 2015

 3.600,- EUR

 2016

 3.600,- EUR

 2017

 2.700,- EUR

Der Beklagte erließ daraufhin am 26.03.2018 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2016, in denen die o.g. Versicherungsbeiträge nicht mehr als beschränkt abziehbare Sonderausgaben berücksichtigt wurden, und erhöhte die Einkommensteuer um folgende Beträge:

Einkommensteuer 2013: + 1.149,- EUR

Einkommensteuer 2014: + 1.179,- EUR

Einkommensteuer 2015: + 1.209,- EUR

Einkommensteuer 2016 : + 1.240,- EUR

In den Erläuterungen zu den Bescheiden heißt es:

„Die Änderung ergeht aufgrund der Mitteilung der AG, dass der Vertrag zur Basisrente rückwirkend ab Vertragsbeginn aufgehoben wurde. Dabei handelt es sich steuerrechtlich um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung.”

Gegen die geänderten Bescheide legte die Klägerin am 24.04.2018 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus: Entgegen der Mitteilung der AG sei...

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