vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzurechnung eines KiSt-Erstattungsüberhangs: Steuermindernde Auswirkung der KiSt im Zahlungsjahr, ”Erstattungsüberhang“ bei fehlender KiSt-Zahlung im Erstattungsjahr

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein KiSt-Erstattungsüberhang ist dem Gesamtbetrag der Einkünfte auch dann hinzuzurechnen, wenn sich die zugrunde liegende Kirchensteuerzahlung in einem vorangegangenen Jahr tatsächlich nicht im Rahmen des Sonderausgabenabzugs steuermindernd ausgewirkt hat (vgl. BFH-Urteil vom 12.03.2019 IX R 34/17, BStBl 2019 II S. 658).
  2. Ein Erstattungsüberhang i.S. des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum der KiSt-Erstattung zugleich eine KiSt-Zahlung erbracht hat.
 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4b Sätze 2-3

 

Streitjahr(e)

2012

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.06.2022; Aktenzeichen X R 1/20)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für den Veranlagungszeitraum 2012 die Voraussetzungen für die Erfassung eines Kirchensteuer (KiSt) -Erstattungsüberhangs nach § 10 Abs. 4b Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt sind.

Der Kläger war Gesellschafter der … GmbH (nachfolgend GmbH). Am x.x.2009 schloss der Kläger einen notariell beurkundeten Kaufvertrag, in dem er u.a. Geschäftsanteile i.H.v. … € auf die GmbH übertrug. In dem notariellen Vertrag wurde dem Kläger ein Rücktrittsrecht eingeräumt. Im Hinblick auf die Beteiligungsveräußerung stellte der Kläger am 30.11.2009 einen Antrag auf die Festsetzung von Vorauszahlungen, der u.a. eine KiSt-Vorauszahlung von 508.768 € enthielt. Im Vorauszahlungsbescheid vom 03.12.2009 setzte der Beklagte die Vorauszahlung antragsgemäß fest. Der Kläger leistete die Vorauszahlung am 10.12.2009. Ferner leistete der Kläger im Jahr 2010 für den Veranlagungszeitraum 2009 eine nachträgliche KiSt-Vorauszahlung i.H.v. 357.052 €. Im Jahr 2011 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag der Geschäftsanteile.

Im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 11.04.2012 setzte der Beklagte u.a. eine Einkommensteuer-Erstattung i.H.v. 5.653.002 € und eine KiSt-Erstattung i.H.v. 865.820 € fest. Der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug 2.728 €. Die in 2009 insgesamt gezahlte KiSt von 622.637 €, in der u.a. die Vorauszahlung i.H.v. 508.768 € enthalten ist, wirkte sich im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nicht steuermindernd aus.

Demgegenüber fand die im Veranlagungszeitraum 2010 nachträglich für 2009 gezahlte KiSt i.H.v. 357.052 € im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 07.01.2014 beim Sonderausgabenabzug vom festgestellten Gesamtbetrag der Einkünfte von 1.291.835 € in voller Höhe Berücksichtigung.

Im Veranlagungszeitraum 2012 leistete der Kläger keine KiSt-Zahlung. Im Einkommensteuerbescheid 2012 vom 21.07.2014, geändert durch den Bescheid vom 31.07.2014, erfasste der Beklagte die KiSt-Vorauszahlungen i.H.v. 865.820 € als Erstattung i.S. des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG und rechnete sie dem Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. ./. 307 € hinzu. Ansonsten erzielte der Kläger im Jahr 2012 lediglich nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerte Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. von 1.158.593 €. Unter Berücksichtigung der weiteren Sonderausgaben betrug das zu versteuernde Einkommen 857.608 € und die festgesetzte Einkommensteuer 650.662 €.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 legte der Kläger mit Schreiben vom 20.08.2014 … Einspruch ein. Zur Begründung führte er im vorgenannten Schreiben aus, die Besteuerung des Erstattungsüberhangs zur KiSt in 2012 habe zur Folge, dass auf den Teil von 508.768 €, der in 2009 nicht abzugsfähig gewesen sei, bei einem Durchschnittssteuersatz i.H.v. rund 45,5448 % incl. Solidaritätszuschlag eine Steuerbelastung i.H.v. 231.717 € anfalle. Diesseits werde die Auffassung vertreten, dass die Besteuerung des Erstattungsbetrages in 2012 nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG vor dem Hintergrund der fehlenden Abzugsfähigkeit in 2009 unbillig sei. Auch wenn eine geltungserhaltende Reduktion der Vorschrift aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht möglich sei, liege ein klares Beispiel für eine sachliche Unbilligkeit vor. Es werde deshalb eine abweichende Steuerfestsetzung für die Jahre 2012 und 2009 nach § 163 der Abgabenordnung (AO) dahingehend beantragt, dass die KiSt-Erstattung im Jahr 2009 berücksichtigt werde. Ferner machte der Kläger geltend, dass die Höhe der nach § 32d EStG besteuerten Kapitaleinkünfte nicht nachvollzogen werden könne.

Der Beklagte wies im Schreiben vom 08.12.2014 darauf hin, dass die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass im Hinblick auf den vom Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgten Zweck nicht erfüllt seien, und fragte an, ob der Einspruch zurückgenommen werde.

Der Kläger teilte daraufhin mit, dass der Einspruch aufrecht erhalten bleibe. Ungeachtet der Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung gemäߧ 163 AO sei keine Besteuerung der KiSt-Erstattung in 2012 vorzunehmen. Es liege bereits kein Erstattungsüberhang i.S. des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG vor. E...

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