rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften bei Zwangsversteigerung eines Grundstücks

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG vorauszusetzende willentliche wirtschaftliche Betätigung erfolgt im Falle der Zwangsversteigerung eines Grundstücks durch die in ihrer Wirkung dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrags zwischen Eigentümer und Meistbietendem entsprechende Abgabe des Meistgebots.
  2. Für die Berechnung der Veräußerungsfrist sind bei der bei der Anschaffung durch Ersteigerung und der nachfolgenden Wiederversteigerung die Zeitpunkte der Abgabe der Meistgebote maßgeblich.
  3. Der Eigentumsverlust im Wege der Zwangsversteigerung ist nicht mit einem Eigentumsverlust im Wege einer Enteignung vergleichbar.
 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ZVG § 81 Abs. 1, § 90 Abs. 1; FGO § 69

 

Streitjahr(e)

2019

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller im Streitjahr 2019 hinsichtlich zweier Grundstücke den Tatbestand privater Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt hat.

Die Antragsteller sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Antragsgegner erließ am 20.03.2020 einen Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2019. In diesem erfasste er u. a. sonstige Einkünfte des Antragstellers aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v 1.328.217 €. In den Erläuterungen des Bescheides führte der Antragsgegner aus, dass das Objekt am 18.03.2009 ersteigert und am 31.01.2019 durch Zwangsversteigerung veräußert und das 2. Objekt am 17.03.2009 ersteigert und 23.01.2019 durch Zwangsversteigerung veräußert worden seien. Nachfolgend nahm der Antragsgegner eine Berechnung des Überschusses nach § 23 EStG vor, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.

Gegen den Vorauszahlungsbescheid legten die Antragsteller am 25.03.2020 Einspruch ein und beantragten zugleich eine Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 31.03.2020 lehnte der Antragsgegner eine Aussetzung der Vollziehung wegen einer fehlenden Einspruchsbegründung ab.

Nachfolgend wiederholten die Antragsteller in den Schreiben vom 16.04.2020, 18.05.2020 und 30.06.2020 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und trugen zur Begründung des Einspruchs vor:

Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 23.07.2019 IX R 28/18 fehle es bereits an einem steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Nach den Grundsätzen des Urteils müsse die entgeltliche Übertragung des Grundstücks vom Willen des Steuerpflichtigen getragen sein. Diese Voraussetzung sei im Fall einer Zwangsversteigerung entsprechend den Gegebenheiten bei einer Enteignung generell nicht erfüllt. Vorliegend sei es ihm - dem Antragsteller - aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, welche u.a. durch die bestehenden Steuerschulden bedingt seien, auch objektiv unmöglich gewesen, die Zwangsversteigerung - etwa durch die Tilgung der gesamten bestehenden Schulden - abzuwenden. Aufgrund dessen habe es an der erforderlichen Möglichkeit zu einer Einflussnahme auf die Zwangsversteigerungsverfahren gefehlt.

Ferner betrage bei beiden Grundstücken der Zeitraum zwischen dem Erwerb und der Veräußerung mehr als zehn Jahre. Für die Berechnung der Fristen sei auf die Zeitpunkte der jeweiligen Zuschlagbeschlüsse abzustellen. Danach sei das erste Objekt am 26.03.2009 erworben und am 29.03.2019 veräußert bzw. das zweite Objekt am 17.03.2009 erworben und am 21.03.2009 veräußert worden. Die Daten der Zuschlagbeschlüsse seien auch für den Übergang der Einnahmen und Ausgaben zugunsten und zu Lasten des Erstehers maßgeblich.

Der Antragsgegner lehnte eine Aussetzung der Vollziehung jeweils in Schreiben vom 17.04.2020, 18.06.2020 und 08.07.2020 erneut ab. Zur Begründung führte er aus:

Die vom BFH im Urteil vom 23.07.2019, IX R 28/18, für Grundstücksenteignungen aufgestellten Rechtsgrundsätze seien auf Fälle der Abgabe eines Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren nicht anwendbar. Vielmehr bestätige der BFH in dem zitierten Urteil unter Rn. 21, dass eine willentliche wirtschaftliche Betätigung als Merkmal eines Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beispielsweise auch in der Abgabe eines Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren zu sehen sei. Der entscheidende Unterschied zwischen einer Enteignung und einer Zwangsversteigerung liege darin, dass der bisherige Eigentümer im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens die Möglichkeit behalte, sich gegen die Zwangsversteigerung durch Tilgung der Schulden oder eine anderweitige Vereinbarung mit dem betreibenden Gläubiger zu wenden.

Zudem werde das Vorbringen des Antragstellers, wonach er aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen sei, die Zwangsversteigerungsverfahren abzuwenden, bezweifel...

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