Entscheidungsstichwort (Thema)

Anlagebetrug. Zufluss. Vertragsauslegung. Fehlgeschlagene Einkunftserzielung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Welche Einkünfte der Anleger erzielt, richtet sich nicht der Bezeichnung der Verträge, sondern nach deren materiellem Regelungsgehalt, der auf der Grundlage des Gesamtzusammenhangs der Abreden zu beurteilen ist. Einkommensteuerbar sind auch Einnahmen, die durch eine begonnene, letztlich aber fehlgeschlagene Einkunftserzielung veranlasst sind. Begonnen hat die Einkunftserzielung, wenn der Anleger alles hierzu von seiner Seite aus Erforderliche getan hat.

2. Einnahmen sind zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Im Falle der Gutschrift in den Büchern des Schuldners erfolgt der Zufluss, wenn der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Hierzu muss der Schuldner leistungsbereit und leistungsfähig sein und beim Steuerpflichtigen eine objektive Vermögensmehrung eintreten.

3. Die vorgenannten Zuflussvoraussetzungen (Dispositionsbefugnis des Gläubigers, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit des Schuldners, objektive Vermögensvermehrung beim Gläubiger) sind an Hand aller Umstände des Einzelfalles und unter Zugrundelegung der Erkenntnisse zu prüfen, die das Gericht zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen hat.

4. Eine bloße Betrachtung der Liquidität des Gläubigers in den Streitjahren verbunden mit der Annahme, dem Steuerpflichtigen seien die Erträge – hätte er dies verlangt – ausgezahlt worden, ist im Falle des unredlichen Geschäftsverkehrs unzureichend. Die Indizwirkung, die von der Liquiditätslage des Schuldners ausgeht, wird in diesen Fällen durch zahlreiche andere Fakten, die dem Gericht in solchen Fällen zum Entscheidungszeitpunkt bekannt sind (z.B. damalige Überschuldung, unredliches Geschäftsgebaren, zwischenzeitliche Insolvenz des Schuldners, Verlust des Kapitals), widerlegt.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.09.2010; Aktenzeichen II R 62/08)

BFH (Urteil vom 22.09.2010; Aktenzeichen II R 62/08)

BFH (Urteil vom 16.03.2010; Aktenzeichen VIII R 4/07)

 

Tenor

1. Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1997, alle vom 27. Juni 2002 und in Form der Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2003, wird die Steuer unter Verminderung der Einnahmen aus Kapitalvermögen neu festgesetzt (1994 um 40.000 DM, 1995 um 98.000 DM, 1996 um 30.000 DM und 1997 um 8.960 DM, s. I 3 c der Entscheidungsgründe). Dem Beklagten wird aufgegeben die Steuer insofern neu zu berechnen. Im übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern und dem Beklagten zu je ½ auferlegt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht die Kläger zuvor Sicherheit leisten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger werden als Eheleute beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer und (bis 1996) zur Vermögensteuer veranlagt. Der Kläger, der früher als Diplom-Ingenieur und Markscheider tätig war, ist Rentner, die Klägerin ist Hausfrau. Die Kläger ließen sich bei der Vermögensanlage seit jeher von Herrn C – künftig: C –, Gesellschafter-Geschäftsführer der C & D GmbH, E, den sie seit Ende der 60iger Jahre persönlich kennen, beraten. Der anhängige Rechtsstreit wird um Einkünfte aus Kapitalvermögen geführt, die auf Vereinbarungen der Kläger mit C beruhen.

Anfang 1992 trat C an die Kläger mit dem Angebot heran, „hochverzinsliche Kapitalanlagen” (Bl. 194) zu tätigen. Das Anlagekapital sollte möglichst mit 12% p.a. verzinst und zudem ein „Bonus” von weiteren 12% gezahlt werden (Bl. 184 f., 187). Unter dem Datum vom 10. Juni 1992 haben die Kläger mit C zwei Verträge über die Anlage von 160.000 DM und 90.000 DM geschlossen (Bl. 33 ff.; 184 ff.).

Die als „Vereinbarung” bezeichneten Verträge zwischen den Klägern „Auftraggeber”) und C „Herr C”), auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, enthielten folgende Passagen:

Tz.

1.2:

…wünscht der Auftraggeber, dass sein Kapital – entweder mit dem Kapital anderer Anleger oder allein – durch C angelegt wird.

1.3:

C wird die Anlagemittel auf einem Sonderkonto entgegennehmen … und die aus Erträgen bzw. Kapitalrückzahlungen … zufließenden Gelder entsprechend dem Anspruch des Auftraggebers an diesen auszahlen.

Tz.

2.2.:

Das Kapital wird C für 5 Jahre zur Verfügung gestellt….

2.3:

Dem Auftraggeber ist bekannt, dass seine Anlage … gepoolt wird … Er verzichtet deshalb bereits jetzt unwiderruflich auf eine vorzeitige Rückzahlung des Anlagebetrages.

Tz.

3.1:

Die in Anlage 1 zu diesem Vertrag beschriebene Anlageform beschreibt nur eine von mehreren möglichen Anlageformen…

(1) Das Anlagekapital muss abgesichert sein.

(2) Es muss eine Verzinsung erreichbar sein, die mit der in Anlage 1 vergleichbar ist.

3.2:

C wird sämtliche auf dem Sonderkonto e...

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