Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung bei Erwerb eines Bürogebäudekomplexes durch einen Bauträger in Sanierungs- und Veräußerungsabsicht und tatsächlicher Veräußerung erst nach mehrjähriger Vermietungstätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Bürogebäudes mit zahlreichen Vermietungseinheiten stellt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG dar, wenn durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in die Miet- oder Pachtverträge ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird und der Erwerber eine bereits vom Lieferer ausgeübte selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführt. An letzterem fehlt es nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig dann, wenn die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers im Wesentlichen darin besteht, ein Gebäude zu errichten und Mieter für die einzelnen Mieteinheiten zu finden, um es unmittelbar im Anschluss an die Fertigstellung gewinnbringend zu veräußern (Bauträgerfall).

2. Auch in einem Bauträgerfall kann jedoch eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung gegeben sein, wenn der Bauträger zwar anfänglich eine sofortige Veräußerungsabsicht hat, die Immobilie nach ihrer Erstellung jedoch zunächst über mehrere Jahre hält, sukzessive weitgehend vermietet und dann veräußert. Mit zunehmender Zeitdauer seit der Errichtung kann der Bauträger je nach Fallkonstellation selbst einen auf Vermietung gerichteten unternehmerischen Nutzungszusammenhang (in den das Übertragungsobjekt eingebunden ist) schaffen, den er dann im Zuge der Veräußerung der Immobilie auf den Erwerber überträgt (im Streitfall: Veräußerung eines Bürogebäudekomplexes mit knapp 10.000 qm Gesamtnutzfläche rund fünf Jahre nach dem Erwerb der Immobilie bzw. vier Jahre nach Fertigstellung der wesentlichen Sanierungs- und Bauarbeiten bzw. knapp drei Jahre nach dem Beginn der Vermietungstätigkeit; insgesamt mindestens zweijährige Vermietungsdauer für mehr als die Hälfte der Gesamtmietfläche zum Zeitpunkt des Verkaufs).

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1a, § 2 Abs. 1 S. 3; EWGRL 388/77 Art. 5 Abs. 8, Art. 6 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.08.2015; Aktenzeichen XI R 16/14)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom … November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … Juli 2011 wird der Beklagte verpflichtet, die Umsatzsteuer für 2006 unter Berücksichtigung des Grundstücksankaufs als Geschäftsveräußerung im Ganzen festzusetzen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine im Dezember … errichtete in Luxemburg ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach luxemburgischem Recht (S.a.r.l.). Ihr Unternehmensgegenstand ist das langfristige Halten von Immobilien. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Immobilientransaktion im Jahr 2006 eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) darstellt.

Mit notariellem Vertrag vom 16. Januar 2006 der Notarin … (Bl. 52) erwarb die Klägerin ein Geschäftsgrundstück in C. zu einem Kaufpreis von 29 Mio. EUR (ohne Umsatzsteuer). Bei dem Anwesen handelt es sich um einen Bürogebäudekomplex in der Nähe des Hauptbahnhofs, der unter der Bezeichnung „…” vermarktet wird und nun eine Gesamtnutzfläche von 9.811 m² zuzüglich Kfz-Stellflächen aufweist. Voreigentümerin und Verkäuferin des Grundstücks war die Gesellschaft bürgerlichen Rechts …, deren Gesellschafter zum einen die A., zum anderen die B war. Es handelte sich dabei um eine Objektgesellschaft, deren Zeck der Erwerb, die Sanierung, die langfristige Vermietung und der Verkauf des Grundstücks … war. Ihr einziger Vermögensgegenstand war dieses Grundstück. In ihren Bilanzen wies die Verkäuferin das Grundstück als Vorratsvermögen aus. Sie selbst hatte das Objekt durch Auflassung vom 23. März 2001 erworben, aufgrund einer Genehmigungsplanung vom 23. Mai 2000 sowie einer geänderten Baugenehmigung vom 12. September 2001 in den Jahren 2001 und 2002 erweitert und saniert. Das Gebäude wurde am 25. Februar 2002 der Baukommission als fertig gestellt gemeldet. Hiernach erfolgten lediglich typische Baumaßnahmen, um die Mietflächen den Mieteranforderungen entsprechend fertig zu stellen. Die Vermietung an erste Mieter erfolgte ab Februar 2003. Bis Ende 2003 waren 52 % der Gesamtnutzfläche vermietet (Bl. 282), Ende 2004 waren es 75 %. Im Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme der Veräußerin mit der Klägerin (… Oktober 2005) waren 80 % der Gesamtflächen des … vermietet, bei Verkauf im Januar 2006 waren es 90 %. Die Mietverträge begannen zwischen März 2003 und Januar 2006 (vgl. Übersicht Anlagenordner, Anlagen zum Schriftsatz vom 21. Dezember 2012, Vor...

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