rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweispflicht der Behörde und Erledigung der Hauptsache

 

Leitsatz (redaktionell)

Unterlässt die Behörde i. R. d. Einspruchsverfahrens einen an sich gebotenen Hinweis auf einen gebotenen Nachweis (hier: Vorlage eines Schwerbehindertenausweises zum Nachweis der Behinderung des Kindes), so rechtfertigt es die Vorlage (erst) im Laufe des Klageverfahrens nicht, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

 

Normenkette

FGO §§ 137-138

 

Tenor

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Entscheidung ergeht unanfechtbar.

 

Tatbestand

I.

Am 12. Januar 2010 hat die Beklagte, nachdem die Klägerin mittels der Vorlage des Bescheides des Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 29. Juli 2009 die Behinderung ihres Sohnes David nachgewiesen hatte (Bl. 28), einen ändernden Bescheid über das Kindergeld für die Zeit ab Juli 2008 erlassen (Bl. 55 f.). Sie hat anschließend mit Schriftsatz vom 14. Januar 2010 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt (Bl. 54). Die Klägerin hat sich dem angeschlossen (Bl. 65).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Im Falle der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen ist ohne weitere Nachprüfung davon auszugehen, dass der Rechtsstreit tatsächlich in der Hauptsache erledigt ist. Das Gericht hat dann durch Beschluss gemäß § 138 FGO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dabei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen.

Soweit ein Rechtsstreit dadurch erledigt wird, dass der streitige Bescheid im Sinne des Rechtssuchenden geändert wird, sind die Kosten grundsätzlich der Behörde aufzuerlegen (§ 138 Abs. 2 Satz 1 FGO). Allerdings gilt § 137 sinngemäß (§ 138 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dem entsprechend können trotz des Obsiegens bzw. der erreichten Korrektur des streitigen Bescheides einem Beteiligten die Kosten auferlegt werden, wenn die Entscheidung bzw. Korrektur auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen können und sollen.

2. Im Streitfall war es aus der Sicht des Senats bereits im Rahmen des Einspruchsverfahrens offenkundig, dass bei dem Sohn der Klägerin eine schwere psychische Erkrankung vorlag. Die Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2009 erwähnt zum einen die Tatsache, dass D unter einer schizophrenen Psychose leide und deswegen an der Universitätsklinik in Homburg behandelt werde. Auch lag der Beklagten das Amtsärztliche Attest des Saarpfalz-Kreises Homburg vom 28. März 2008 (Bl. 3) vor. Selbst wenn die Beklagte mangels eigener Sachkunde nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Erkrankung von D als Behinderung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu werten, so hätte doch hinreichend Anlass bestanden, dieser Frage im Interesse der Klägerin nachzugehen. Dies zeigt insbesondere der Umstand, dass die Beklagte in der Einspruchsentscheidung den entsprechenden Tatbestand anspricht, um im Anschluss daran jedoch den erforderlichen Schritt nicht zu unternehmen. Angezeigt wäre schon damals der Hinweis an die Klägerin gewesen, die Behinderung von D mittels eines Schwerbehindertenausweises zu dokumentieren, oder aber selbst ein entsprechendes Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen bzw. des eigenen ärztlichen Dienstes einzuholen; zumal der Beklagten die Rechtsprechung des BFH geläufig sein dürfte, wonach der Nachweis der Behinderung auch in anderer Form als durch Vorlage eines Schwerbehindertenausweises bzw. der in § 65 EStDV genannten Unterlagen geführt werden kann (BFH vom 30. November 2005 III B 117/05, BFH/NV 2006, 540).

Insgesamt kann jedenfalls nach Meinung des Senats der – nicht rechtskundig vertretenen – Klägerin nicht der Vorwurf gemacht werden, allein sie habe den gerichtlichen Rechtsstreit durch früheres Tätigwerden verhindern können. Dies rechtfertigt umgekehrt die Anwendung des Regelfalles (§ 138 Abs. 2 Satz 1 FGO) und damit die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Entscheidung ergeht unanfechtbar nach § 128 Abs. 4 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2387179

EFG 2011, 257

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