rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit einer nach einem Veranlagungsfehler des FA und vor Durchführung einer Betriebsprüfung abgegebenen Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz bei vollständigen und richtigen Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung. keine Verpflichtung des Steuerpflichtigen nach § 153 AO zum Hinweis auf einen Veranlagungsfehler des Finanzamts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat der Steuerpflichtige vollständige und zutreffende Steuererklärungen abgegeben, hat das Finanzamt in einem Vorjahr den erklärten Gewinn aber versehentlich als Verlust berücksichtigt und deswegen einen vebleibenden Verlustvortrag festgestellt, der u. a. im Streitjahr eine Steuerfestsetzung auf 0 Euro zur Folge hatte, so ist eine vom Steuerpflichtigen nach Anordnung einer Betriebsprüfung für die betroffenen Veranlagungszeiträume abgegebene strafbefreiende Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) mangels vorangegangener „unrichtiger oder unwirksamer Angaben” unwirksam.

2. Eine Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen ist auch nicht darin zu sehen, dass er in der Steuererklärung des Folgejahres den Abzug des vom Finanzamt nur wegen des Vorzeichenfehlers festgestellten Verlustvortrags beantragt und erklärt hat, er erwarte eine Steuererstattung.

3. Zudem wird der vom Gesetzgeber mit dem StraBEG verfolgte Zweck bei demjenigen nicht erreicht, der eine strafbefreiende Erklärung erst zu einem Zeitpunkt abgibt, in dem aufgrund einer vorstehenden Betriebsprüfung und der noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dem Finanzamt ein Veranlagungsfehler offenbar wird, wenn der Steuerpflichtige angesichts der drohenden Nachzahlungen also die strafbefreiende Erklärung nicht aus tätiger Reue abgibt, sondern nur um in den Genuss der für ihn günstigeren Steueramnestie kommen.

4. Unterlaufen der Finanzbehörde während des Bearbeitungsvorgangs Irrtümer oder Fehler, die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, und erkennt der Steuerpflichtige dies, so ist er mangels eigenen vorangegangenen Handelns nicht gemäß § 153 AO verpflichtet, auf den Fehler hinzuweisen. Der mangelnde Hinweis des Steuerpflichtigen ist daher nicht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar.

 

Normenkette

StraBEG § 1 Abs. 1 S. 1; AO § 370 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 153

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.12.2012; Aktenzeichen VIII R 50/10)

 

Tenor

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Wirksamkeit einer strafbefreienden Erklärung i. S. d. Strafbefreiungserklärungsgesetz – StraBEG – (Artikel 1 des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003) streitig.

Der Kläger betreibt als Internist eine Facharztpraxis in W. In den Jahren 1999 bis 2001 wurde er von der Steuerberatungsgesellschaft … GmbH und im Jahr 2002 von der … & Partner GmbH beraten und vertreten.

Da der Kläger zunächst keine Steuerklärungen für die Kalenderjahre 1999 und 2000 beim Beklagten einreichte, schätzte dieser die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Bescheiden vom 23. Juli 2001 die Einkommensteuer für 1999 auf 305.540 DM und für 2000 auf 165.039 DM fest. Beide Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 23. August 2001 legte die damalige Verfahrensbevollmächtigte hiergegen jeweils Einspruch ein und verwies auf die beigefügten Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 1999 und 2000, die von dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils mit Datum vom 13. August 2001 unterzeichnet waren. In der Einkommensteuererklärung 1999 gab der Kläger u. a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit – Einzelpraxis – in Höhe von 1.054.011 DM an. Der Beklagte erließ am 20. März 2002 einen Einkommensteuerbescheid für 1999, in dem die vom Kläger genannten erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit fälschlicherweise in Höhe von 1.047.588 DM als negative Einkünfte behandelt wurden. Aufgrund dieses Eingabefehlers ergab sich unter Einbeziehung weiterer negativer Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau insgesamt ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 1.732.909 DM, so dass die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1999 mit Bescheid vom 04. März 2002 auf 0,– DM festgesetzt wurde. Aufgrund von Mitteilungen über Beteiligungseinkünfte änderte der Beklagte mit Bescheid vom 26. November 2002 den Gesamtbetrag der Einkünfte auf ./. 1.732.895 DM und setzte die Einkommensteuer für 1999 erneut auf 0,– DM fest.

Mit Bescheid vom 26. November 2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.1999 wurde für den Kläger ein verbleibender Verlustvortrag hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 1.234.592 DM festgestellt. Aufgrund einer erneuten Beteiligungsmitteilung reduzierte der Beklagte mit Bescheid vom 08. April 2003 den Gesamtbetrag der Einkünfte auf ./. 1.704.117 DM und setzte die Einkommensteuer für 1999 erneut auf 0,– DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb in allen Einkommensteuer...

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