Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsinanspruchnahme eines GbR-Gesellschafters für Umsatzsteuerschulden der GbR. Zahlungsaufforderung des Haftungsschuldners auch ohne Vollstreckungsversuche beim Steuerschuldner. Unabhängigkeit der Zahlungsaufforderung des Haftungsschuldners von dessen Vermögens- und Einkommensverhältnissen. Unbeachtlichkeit des Eintritts der Verjährung der Steuerschuld nach Haftungsinanspruchnahme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die rechtsfehlerfreie Ausübung des Entschließungsermessens in Zusammenhang mit einem gegenüber dem Haftungsschuldner gem. § 219 Satz 1 AO ergangenen Leistungsgebot erfordert nicht, dass die Vollstreckung in das Vermögen des Steuerschuldners erfolglos geblieben sei.

2. Der Eintritt der Zahlungsverjährung für die Steuerschuld nach Ergehen eines Haftungsbescheids bewirkt – trotz der grundsätzlich bestehenden Akzessorietät der Haftungsschuld – nicht das Erlöschen der Haftungsschuld. Nach Ergehen des Haftungsbescheides tritt der geltend gemachte Haftungsanspruch selbstständig neben den Steueranspruch.

3. Schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Haftungsschuldners sind – auch wenn mehrere Haftende als Gesamtschuldner in Betracht kommen – regelmäßig kein Grund vom Erlass eines Haftungsbescheids mit Zahlungsaufforderung abzusehen.

4. Wiederholende Verfügungen und Bescheide, die nur den Rechtsschein einer Korrektur auslösen, werden Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

 

Normenkette

AO § 219 S. 1, § 44 Abs. 2 S. 3, §§ 229, 228, 5, 350; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 27.10.2014; Aktenzeichen VII B 192/13)

BFH (Beschluss vom 27.10.2014; Aktenzeichen VII B 192/13)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die an den Kläger ergangene Zahlungsaufforderung rechtmäßig ist.

Mit Schreiben vom 08. Mai 2003 regte die Vollstreckungsstelle des Beklagten im Hause eine Haftungsprüfung wegen Steuerschulden der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Einkaufscenter … (im Folgenden: GbR) an. Sie führte aus, dass mit einer Zahlung durch die Steuerpflichtige – die GbR – in nächster Zeit nicht zu rechnen sei und die Vollstreckung in deren bewegliches Vermögen wegen der Betriebsaufgabe zum 01. Januar 1999 aussichtslos wäre.

Der Beklagte nahm den Kläger – nach Haftungsandrohung – im Wege der Haftung mit Bescheid vom 05. September 2003 wegen Abgabenrückständen i.H. von 2.045.861,57 EUR der GbR als Gesamtschuldner neben den Herren Dr. Z, S. und G. in Anspruch. Mit Bescheid vom 05. September 2003 erließ der Beklagte des Weiteren folgende Zahlungsaufforderung: „Ich nehme Sie hiermit gemäß § 219 AO für die genannten Haftungsbeträge in Anspruch und bitte Sie, den Betrag von 2.045.861,57 EUR bis zum 08.10.2003 auf eines der Konten der Finanzkasse des Finanzamtes zu entrichten…”. Wegen des genauen Inhalts des Bescheids vom 05. September 2003 wird auf Bl. 11 ff. der Finanzgerichtsakte verwiesen.

Der Kläger legte am 01. Oktober 2003 gegen den Haftungsbescheid sowie gegen die Zahlungsaufforderung, jeweils vom 05. September 2003, Einspruch ein.

Am 01. Dezember 2003 erließ der Beklagte einen „Änderungsbescheid”. Er nahm den Kläger wiederum für 2.045.861,57 EUR als Gesamtschuldner neben den Herren Dr. Z., S. und G. im Wege der Haftung in Anspruch. Der Bescheid vom 01. Dezember 2003 enthielt ebenfalls einen mit „Zahlungsaufforderung” überschriebenen Passus, der den gleichen Wortlaut wie die Zahlungsaufforderung im Bescheid vom 05. September 2003 hat. Unter Punkt „C. Begründung” zum Änderungsbescheid machte der Beklagte ergänzende Ausführungen darüber, dass die Haftung innerhalb der nach § 5 AO zu beachtenden Ermessensgrenzen erfolgt sei. Der Beklagte führte aus, dass er die GbR erfolglos zur Zahlung der rückständigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis aufgefordert habe. Insbesondere auf Grund der Betriebsaufgabe der GbR hätten gegenüber dieser keine wirksamen Vollstreckungsmaßnahmen mehr ergriffen werden können. Ebenfalls würden von den Beteiligten unterschiedliche Ausführungen darüber gemacht, ob die GbR noch existiere. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen erschienen insbesondere deswegen erfolglos. Der Beklagte führte wie auch im Bescheid vom 05. September 2003 aus, dass aus diesem Grund auch die Voraussetzungen des § 219 AO für den Erlass einer Zahlungsaufforderung erfüllt seien. Des Weiteren ergänzte der Beklagte seine Begründung hinsichtlich des Auswahlermessens. Im Anschluss teilte der Beklagte mit, dass die Haftung weiterhin in Höhe von 2.045.861,57 EUR bestehen bleibe. Des Weiteren hob er die am 29. Oktober 2003 angeordnete Aussetzung der Vollziehung auf und führte aus: „Die Haftungssumme in Höhe von 2.045.861,57 EUR ist zum 05.01.04 fällig.”.

Im Klageverfahren gegen den Haftungsbescheid (Aktenzeichen 3 K 1528/05) hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2007 den angefochtenen Haftungsbescheid teilweise zurückgenommen. Eine weitere teilweise Rücknahme hat er angekündigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der ...

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