Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Haftung nach § 69 AO 1977 bei grober Pflichtverletzung des FA wegen Freigabe einer Forderung. Haftungsbescheides

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Entsteht die Schuld, für die der Geschäftsführer einer GmbH als Haftender in Anspruch genommen wird, weil die Beitreibung der Steuerschulden infolge besonders grober Pflichtverletzung des FA fehlgeschlagen ist, da das FA eine ihm gegenüber erklärte Abtretung eines Kaufpreisanspruches zurück übertragen hat, obwohl diese keine anfechtbare Rechtshandlung nach § 10 GesO gewesen wäre, ist die Haftungsinanspruchnahme rechtswidrig.

2. Die Freigabe der Forderung kann auch nicht mit einer unzulässigen Übersicherung begründet werden, da auf die Rechte aus einer Abtretung verzichtet werden kann, soweit der abgetretene Kaufpreis die rückständigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis übersteigt.

3. Unentschieden blieb, ob ein mitwirkendes Verschulden des Finanzamts bei der von diesem zu treffenden Ermessensentscheidung oder aber bereits bei der Prüfung des subjektiven Tatbestandes des § 69 AO zu prüfen ist.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 69, 191 Abs. 1; BGB §§ 254, 398; AO 1977 §§ 309, 5, 34; GesO §§ 10, 12; EStG § 41a Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.08.2005; Aktenzeichen VII R 61/04)

BFH (Urteil vom 30.08.2005; Aktenzeichen VII R 61/04)

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom 27. August 1998 und der Einspruchsbescheid vom 25. Februar 2000 werden aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor einer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Inhaftungnahme der Klägerin für Lohnsteuerrückstände als ehemalige Geschäftsführerin der vormaligen … GmbH (nachfolgend: GmbH).

Die GmbH bestand seit 1. September 1990. Geschäftsführer war bis Dezember 1993 ein, zweiter Geschäftsführer …, danach … und ab 16. Dezember 1993 die Klägerin. Bis Dezember 1993 waren bei der GmbH ca. 8,9 Mio. DM Verluste aufgelaufen. Seit 1991 waren Löhne nicht mehr regelmäßig gezahlt worden. Am 25. Oktober 1995 wurde die Sequestration gerichtlich angeordnet, am 1. Februar 1996 eröffnete das Amtsgericht Halle-Saalkreis das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der GmbH. Nach eigenen Angaben der Klägerin hat diese bis einschließlich Februar 1995 Löhne ausgezahlt. Allerdings wurde am 1. Februar 1995 eine Betriebsvereinbarung zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat der GmbH geschlossen, wonach die Löhne 8–9 Monate abgestuft gestundet werden sollten.

Der Beklagte hat die Vollstreckung in das Vermögen der GmbH betrieben. Im Zuge dieser Bemühungen ließ sich der Beklagte auf Anerbieten der GmbH von dieser den Kaufpreisanspruch für die Veräußerung zweier Ferienobjekte in … und … abtreten. In diesem Zusammenhang fand am 3. Februar 1995 mit der Vollstreckungsstelle des Beklagten ein Gespräch statt.

Wenige Monate später ersuchte der Beklagte das Amtsgericht Hettstedt mit Schreiben vom 14. Juli 1995 um Eintragung einer Sicherungshypothek in Höhe von 350.000 DM zu Lasten des Grundstückes in …. Die Eintragung der Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch erfolgte, und zwar in Höhe von 347.350,66 DM. Später, nämlich am 7. August 1995, wurde die Abtretung rückgängig gemacht, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 25. Juli 1995 um „Aufhebung” der Abtretung gebeten hatte, da sie mit dem Verkaufserlös Lohngelder für ihre Mitarbeiter finanzieren wolle.

Das Finanzamt kam später zu dem Schluss, dass die Zwangssicherungshypothek im Gesamtvollstreckungsverfahren keinen Bestand haben würde und erteilte eine Löschungsbewilligung.

Am 1. September 1995 fand an Amtsstelle des Beklagten eine Besprechung mit der Klägerin statt. Danach ließ der Beklagte der GmbH noch acht Wochen Zeit zur „Festigung” der möglicherweise sich verbessernden Finanzsituation. Da die erhoffte Konsolidierung nicht eintrat, teilte der Beklagte am 14. Dezember 1995 mit, dass beabsichtigt sei, die Klägerin als Geschäftsführerin in Haftung zu nehmen.

Am 27. August 1998 erging der Haftungsbescheid über insgesamt 195.847,26 DM einschließlich 42.146 DM Säumniszuschlägen. Es handelte sich um Lohnsteuern für die Zeit von Juli 1994 – März 1995 sowie Solidaritätszuschlag und Lohnkirchensteuern. Der hiergegen gerichtete Einspruch ging am 17. September 1998 beim Finanzamt ein. Am 6. Mai 1999 … wurde an Amtsstelle des Beklagten mit diesem ein Erörterungsgespräch gem. § 364 a AO geführt. In einem Aktenvermerk des Beklagten heißt es hierzu: „Zu prüfen ist allerdings noch die Forderungsabtretung und deren Rückgabe zu Gunsten einer Sicherungshypothek”

Da der Einspruchsbescheid immer noch nicht vorlag, erhob die Klägerin am 12. Januar 2000 (Untätigkeits–)Klage. Die Einspruchsentscheidung erging am 25. Februar 2000.

Mit der Klage macht die Klägerin geltend, ihre Inhaftungnahme sei re...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge