Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweijährige Ausschlussfrist für Antragsveranlagung verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Frist für die Stellung eines Antrags auf Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger lebte seit 1982 dauernd von seiner Ehefrau getrennt, mit der er seit 1975 Eigentümer eines Zweifamilienhauses war und übte bis März 1984 als Oberarzt eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Bis zum Veranlagungszeitraum 1980 kam es zu Steuererstattungen.

Ende März 1984 flüchtete der Kläger anläßlich seines Scheidungs- und Sorgerechtsverfahrens gemeinsam mit seiner am 13. August 1975 geborenen Tochter, tauchte zunächst in Deutschland und dem europäischen Ausland unter und lebt nach einem Gefängnisaufenthalt wegen des angekündigten Auslieferungsverfahrens seit 1987 offen in ... .

Da er seine Steuerunterlagen nicht beschaffen konnte, bat er mit Schreiben vom 24. Oktober 1990 den Beklagten um Schätzung der Steuererstattungen 1981 bis März 1984, da sich bis dahin an den wesentlichen Daten seiner Einkommensverhältnisse nichts geändert habe. Das gemeinsame Zweifamilienhaus sei im Mai 1984 verkauft worden, von dem Erlös habe er keinen Pfennig erhalten.

Mit Schreiben vom 3. Juni 1991 lehnte der Beklagte die Durchführung der Veranlagung ab, da für 1981 und 1982 gemäß §§ 169, 170 Abgabenordnung -AO- die Festsetzungsfrist abgelaufen sei und für die folgenden Jahre nur sehr vage Hinweise auf den Sachverhalt gemacht worden seien. Der Ansatz negativer Einkünfte oder die Anrechnung von Lohnsteuerabzugsbeträgen sei ohne jegliche Glaubhaftmachung bzw. ohne Nachweis nicht möglich. Dieses Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Mit am 25. Juni 1991 beim Beklagten eingegangenem Schreiben legte der Kläger nochmals in allgemein gehaltenen Umschreibungen seine Steuer- und Lebensverhältnisse dar und gab zu bedenken, daß die Steuerschätzung mit Hilfe der Daten aus den Vorjahren gerade für solche Extremfälle gedacht sei, in denen eine detaillierte Erklärung trotz guten Willens nicht abverlangt werden könne oder Akten und Belege verlorengegangen seien.

Der Beklagte wiederholte mit Schreiben vom 23. August 1991 für die Veranlagungszeiträume 1981 und 1982 den Hinweis auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und erklärte, daß bei der Antragsveranlagung für 1984 nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 b Einkommensteuergesetz -EStG- gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG ebenfalls Fristablauf eingetreten sei. Um überprüfen zu können, ob von Amts wegen eine Veranlagung für 1984 durchzuführen sei, übersandte der Beklagte entsprechende Steuererklärungsvordrucke und forderte den Kläger zugleich auf, gemäß § 123 AO einen Empfangsbevollmächtigten in Deutschland zu benennen.

Am 3. November 1991 erklärte der Kläger, einen Empfangsbevollmächtigten nicht benennen zu können, da er einen Anwalt nicht bezahlen könne und ehemalige Bekannte nach überfallartigen Polizeieinsätzen nicht weiter belasten möchte, und wiederholte diese Aussage im Schreiben vom 14. Juli 1992, mit dem er die Steuererklärungen für 1981 bis 1984 einreichte.

Im mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 6. Oktober 1992 lehnte der Beklagte die Durchführung der Veranlagung wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung ab.

Für 1984 habe, da die nichtselbständigen Einkünfte weniger als ... DM betragen hätten, keine Abgabepflicht bestanden. Der Antrag auf Veranlagung zur Anerkennung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EStG hätte jedoch bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres - also bis zum 31. Dezember 1986 - gestellt werden müssen.

Mit am 12. Januar 1993 eingegangenem Schreiben vom 1. Januar 1993 legte der Kläger gegen diesen Bescheid, der ihm über den Seeweg erst am 31. Dezember 1992 zugegangen war, Einspruch ein. Er habe am 24. Oktober 1990 die Schätzung beantragt, die an die Stelle einer Erklärung trete. Die seit Antragstellung eingetretene Verzögerung habe er nicht zu vertreten. Für 1984 weise er darauf hin, daß er unabhängig von der Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung, die er gleichwohl geltend mache, umgerechnet auf das Jahr Steuern überzahlt und daß für den Zeitraum Januar bis März nach der Höhe des Einkommens in diesen Monaten sehr wohl die Pflicht zur Einkommensteuerveranlagung bestanden habe. Unabhängig davon mache er für den gesamten Zeitraum 1981 bis 1984 erneut eine Notlage und höhere Gewalt geltend. Er habe zweifelsfrei überhöhte Steuern gezahlt, und es verletze neben den guten Sitten und einfachem Recht die Eigentumsgarantie und das Rechtsstaatsgebot, wenn der Staat die Notlage und Wehrlosigkeit eines Bürgers ausnutze, um sich ungerechtfertigt an seinem Einkommen zu bereichern.

Für den Veranlagungszeitraum 1984 erging daraufhin eine den Einspruch als unbegründet zurückweisende Einspruchsentscheidung, in der der Beklagte ausführte: Der Kläger habe Einkünft...

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