Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstellungen eines Versicherungsvertreters wegen Erfüllungsrückstand

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstand ist von einem Versicherungsvertreter zu bilden, wenn eine rechtliche Pflicht auch zur künftigen Betreuung vermittelter Vertragsverhältnisse besteht und hierfür keine Bestandspflegevergütung gezahlt wird (Anschluss an BFH, Urteil v. 28.7.2004, XI R 63/03; entgegen Nichtanwendungserlass des BMF v. 28.11.2006, IV B 2 – S 2137 – 73/06, BStBl 2006 I S. 765).

2. Der zeitliche Aufwand für die Betreuung der Bestandsverträge ist mangels geführter Aufzeichnungen betreffend Zeitaufwand unter Berücksichtigung der dargelegten Aufgaben und dem durchschnittlichen Bedarf der Kunden, sowie den Indizien aus aktuellen Aufzeichnungen zu schätzen. Die Aufteilung des Aufwandes für die Betreuung der bestehenden Lebensversicherungs- und Krankenversicherungsverträge zum einen und zum anderen für die Vermittlung und Abwicklung der Neuverträge ist ebenfalls nur im Schätzungswege möglich, wenn keine getrennten Aufzeichnungen geführt wurden und eine Zuordnung und Abgrenzung zwischen Neugeschäft und ausschließlicher Betreuung der Altverträge nahezu unmöglich ist (hier: Schätzung des Zeitaufwands mit 20 Minuten pro Vertrag und Jahr; jegliche Betreuungstätigkeit dient mindestens zur Hälfte dem Ziel von Neuabschlüssen).

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 1; AO § 162 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.02.2014; Aktenzeichen III R 14/11)

 

Tenor

Der Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2005 vom 29. Dezember 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. August 2007 und des Änderungsbescheides vom 25. September 2007 wird mit der Maßgabe geändert, dass zum 31. Dezember 2005 eine Rückstellung in Höhe von 83.337 EUR berücksichtigt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens bis zur mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2010 haben die Kläger zu 25 v.H. und der Beklagte zu 75 v.H. und danach der Kläger zu 45 v.H. und der Beklagte zu 55 v.H zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Beschluss:

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

 

Tatbestand

Im Streit ist, ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für die zukünftige Betreuung von Versicherungsverträgen vorliegen.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Handelsvertreter Mitarbeiter der X AG und vermittelt Versicherungsverträge sowie Geldanlagen, Darlehen und Beteiligungen. Er erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Den Gewinn ermittelte er bis 2004 nach § 4 Abs. 3 EinkommensteuergesetzEStG – und für 2005 nach § 4 Abs. 1 EStG. Zum 31.12.2005 bildete der Kläger nach der vorgelegten Bilanz eine sonstige Rückstellung in Höhe von 360.946,92 EUR und wies in der Gewinn- und Verlustrechnung einen „sonstigen Personalaufwand” in Höhe von 350.763,92 EUR aus. Er erklärte für 2005 einen laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von – 218.563 EUR sowie einen Übergangsgewinn von 33.115 EUR.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2005 zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0,00 Euro fest. Auf Nachfrage des Beklagten teilten die Kläger mit, dass es sich bei der Rückstellung um eine Rückstellung für den laufenden Betreuungsaufwand für Kranken- und Lebensversicherungen mit einmaliger Provisionszahlung handele.

Der Beklagte erkannte die Rückstellung nicht mehr als gewinnmindernd an, erließ unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung am 29.12.2006 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2005 und setzte die Einkommensteuer auf 55.374 EUR fest.

Die Kläger legten dagegen mit Schreiben vom 18.01.2007 Einspruch ein und beriefen sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 27.07.2004 (Aktenzeichen XI R 63/03). Zur Begründung führten sie aus: Für die Verpflichtungen aus der künftigen Vertragsbetreuung sei eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstand zu bilden. Der Kläger sei als Handelsvertreter nach seinem im Auszug vorgelegten Mitarbeitervertrag und der Provisionsordnung (Blatt 146 bis 151 Einkommensteuerakte) gegenüber der X AG zur laufenden Betreuung der abgeschlossenen Verträge verpflichtet. Er erhalte dafür neben der einmaligen Abschlussprovision kein weiteres Entgelt. Die X AG gehe davon aus, dass mit der Abschlussprovision alle Betreuungsprovisionen der Zukunft abgegolten seien. Im Bereich der Vorsorgeprodukte, nämlich kapitalbildende und fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen, Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen würden keine Betreuungsprovisionen gezahlt werden. Es fielen jedoch umfangreiche Betreuungsarbeiten an, zum Beispiel bei der Erstellung und Besorgung von Beitragsbescheinigunge...

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