rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Realisierung eines Auflösungsverlusts bereits bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Verlust aus der Auflösung der wesentlichen Beteiligung an einer eine Gaststätte betreibenden GmbH wird bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens realisiert, wenn zu diesem Zeitpunkt die entstandenen Verluste nach kaufmännischen Grundsätzen feststehen, da weder Grundbesitz noch Anlagevermögen vorhanden ist, die Betriebs- und Geschäftsausstattung bereits zum Zeitpunkt des Sequesterberichts vom Sequester aus dem Insolvenzbeschlag entlassen wurde und das Gesamtvollstreckungsverfahren im Wesentlichen nur eröffnet wird, um Einlageforderungen geltend machen zu können, aus denen sich eine quotenmäßige Befriedigung der Gläubiger ergeben könnte.

2. Dieser Zeitpunkt ist auch dann für den Steuerpflichtigen maßgeblich, wenngleich er die Besonderheiten für die Vorverlegung des Realisierungszeitpunkts vor Abschluss des Gesamtvollstreckungsverfahrens nach eigenen Angaben nicht erkennen konnte.

3. Die sechs Jahre nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens erfolgte Verurteilung des Steuerpflichtigen zur Zahlung eines Teils der Stammeinlage eines anderen Gesellschafters wirkt auf das Jahr der Entstehung des Auflösungsverlusts zurück (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO).

4. Allein die nach Einsprüchen des Steuerpflichtigen gegen die von der darlehensgewährenden AG aufgrund der übernommenen Bürgschaften erwirkten Vollstreckungsbescheide notwendig gewordene Klageerhebung bewirkt nicht, dass die geltend gemachten Ansprüche aus den Bürgschaftsübernahmen nicht bereits bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahren festgestanden haben. Die dem Grunde und im Wesentlichen der Höhe nach feststehenden Verbindlichkeiten wirken sich nicht allein aufgrund eines formalen Klageverfahrens erst lange nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens beim Gesellschafter steuerlich aus.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 4, 2; HGB § 255 Abs. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.05.2016; Aktenzeichen IX R 16/15)

BFH (Urteil vom 10.05.2016; Aktenzeichen IX R 16/15)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger gründete mit drei weiteren Gesellschaftern, den Herren B., C. und D. mit Vertrag vom 2. März 1993 die E. GmbH, die am 29. Juni 1994 im Handelsregister eingetragen wurde. Die Gesellschaft betrieb zwei Gaststätten in F., die sie im Wege der übertragenden Sanierung von der H. GmbH erworben hatte. Der Kläger war an der E. GmbH, deren Stammkapital 50.000 DM betrug, mit 15.000 DM (7.669,38 EUR) beteiligt. D. hatte eine Stammeinlage i. H. v. 12.500 DM übernommen.

Mit Verträgen vom 30. November 1993 und 23. Dezember 1993 erhielt die E. GmbH von der I. AG (später J. GmbH & Co KG) 2 Darlehen über 120.000 DM und 110.000 DM verzinslich mit 5 % p. A. Hierfür verbürgten sich der Kläger und B. jeweils im Dezember 1993 und März 1994 i. H. von 147.600 DM und 128.720 DM selbstschuldnerisch.

Mit Beschluss vom 10. August 1994 ordnete das Amtsgericht F. die Sequestration (vorläufige Verwaltung) des Vermögens der E. GmbH an. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis zum 31. August 1994. Die I. AG kündigte am 7. Oktober 1994 die der E. GmbH für die Gaststätteneinrichtungen gewährten Darlehen und nahm den Kläger und B. mit Schreiben vom 21. Oktober 1994 aus den Bürgschaften in Anspruch.

Aufgrund des Sequesterberichts und Sachverständigengutachtens vom 10. März 1995 eröffnete das Amtsgericht F. mit Beschluss vom 15. März 1995 das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der E. GmbH. In dem Bericht stellte der Sequester fest, dass es erhebliche Differenzen zwischen Ein- und Ausgaben gegeben habe, Rechnungen vernichtet worden seien, die Daten der Registrierkasse gelöscht und Mittel der Gesellschaft für private Zwecke abgezweigt worden seien. Der bis zu seiner Abberufung im April 1994 tätige Geschäftsführer (und Gesellschafter) D. sei mit einigem Inventar bereits 3 Wochen vor seiner Abberufung verschwunden. Die Demontage der Betriebsund Geschäftsausstattung, die zum Teil der I. AG gehört habe und die speziell den Räumlichkeiten in den gemieteten Räume angepasst gewesen sei, habe dem Vermieterpfandrecht unterliegen und deren Ausbau wäre mit erheblichen Kosten verbunden gewesen. Da keine Erlöse für die Masse zu erwarten seien, sei die Betriebs- und Geschäftsausstattung aus dem Insolvenzbeschlag entlassen worden. Von den Warenvorräten seien lediglich kleine Restposten vorhanden gewesen, die unmittelbar nach Abschluss der Inventur verkauft worden seien. Bezüglich der Stammeinlagen seien zu Beginn der Sequestration noch 20.000 DM zu erbringen gewesen. Die Lohnrückstände der bis zu neun Arbeitnehmer hätten mindestens 6.000 DM betragen.

Nach Auffassung des Sequesters hätte mit einer Quote auf Vorrechtsforderungen gerechnet werden können. Auf im Range schlechter gestellte Forderungen w...

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