Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliches Eigentum von Kommunen an den von einer GmbH gehaltenen Aktien eines Energieversorgungsunternehmens

 

Leitsatz (redaktionell)

Überträgt die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben einer GmbH, deren Gesellschafter ausschließlich Kommunen sind, die Rechte an und aus den Aktien eines regionalen Energieversorgungsunternehmens (AG), wobei die durch § 4 Abs. 2 Satz 2 Kommunalvermögensgesetz i.V.m. dem Einigungsvertrag geschaffene Rechtsposition der einzelnen Kommunen nicht berührt werden soll und verweisen auch die nach Änderung des GmbH-Gesellschaftsvertrags von der GmbH mit einzelnen Kommunen abgeschlossenen Treuhandverträge in den Präambeln auf die Restitutions- und Kommunalisierungsansprüche der Kommunen hinsichtlich der örtlichen Energieversorgungsunternehmen nach § 4 KVG, verbleibt das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien bei den Kommunen. Danach sind die von der GmbH vereinnahmten Dividenden in Höhe ihrer Weiterleitung an die Kommunen als durchlaufende Posten zu erfassen. Eine Anrechnung einbehaltener Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer scheidet aus, wenn zudem die Chancen und Risken der Wertentwicklung der Aktien den Kommunen zugewiesen werden, zulasten der GmbH Verfügungsbeschränkungen und korrespondierend umfassende Übertragungsverpflichtungen zugunsten der Kommunen bestehen sowie die laufenden Ergebnisse der AG bei wirtschaftlicher Betrachtung den Kommunen zufließen.

 

Normenkette

AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1; KVG § 4 Abs. 2 S. 2; EinigVtr; KStG §§ 44, 8 Abs. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 2a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.11.2009; Aktenzeichen I R 12/09)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin, die zivilrechtliche Inhaberin der Aktien an der A. AG (im Folgenden: A. AG) ist, auch wirtschaftliche Eigentümerin im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AbgabenordnungAO – ist. Hintergrund des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Klägerin die von der A. AG entrichtete anrechenbare Körperschaftsteuer und die von der A. AG einbehaltene Kapitalertragsteuer auf ihre eigene Körperschaftsteuerschuld anrechnen kann.

Die Klägerin wurde mit notariellem Vertrag vom 06. Mai 1996 gegründet. Gesellschafter der Klägerin sind ausschließlich bestimmte Kommunen in C. und D. (im Folgenden: Gesellschafter oder Kommunen). Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Wahrnehmung der kommunal- und gesellschaftsrechtlich zulässigen Interessenvertretung, insbesondere die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der kommunalen Aktionäre in der A. AG. Die Klägerin soll ihre Gesellschafter bei der Sicherung einer wirtschaftlichen und ökologischen Energieversorgung unterstützen.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Kommunalvermögensgesetz – KVG – hatte jede mit Strom oder Fernwärme versorgte Kommune im Gebiet des Art. 3 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 einen Anspruch auf Übertragung von Aktien an dem die Versorgung betreibenden regionalen Energieversorgungsunternehmen. Damaliger Energieversorger der an der Klägerin beteiligten Kommunen war die B. AG (im Folgenden: B. AG), deren Rechtsnachfolgerin die A. AG ist. Da die Gesellschafter der Klägerin nicht die Gründung eigener Stadtwerke anstrebten, standen ihnen nach Feststellung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben – BvS – insgesamt rund 26 % der Aktien der B. AG zu. Durch die Fusion von vier regionalen Stromversorgern zur A. AG beträgt der Anteil an der A. AG nunmehr rund 6 %.

Am 15. Juni 1996 schlossen die BvS und die Klägerin einen „Vertrag zur treuhänderischen Übertragung der Rechte an und aus den Aktien an der B. AG”. Ausweislich der Präambel dieses Vertrages sollte die Klägerin die Aktien an der B. AG treuhänderisch für insgesamt ca. 428 Städte und Gemeinden halten. Die Präambel des Vertrages stellte außerdem klar, dass durch die Übertragung der Aktien an der B. AG auf die Klägerin die vom Einigungsvertrag und KVG geschaffene Rechtsposition der einzelnen Kommunen nicht berührt werden solle. Nach § 3 des Vertrages, der mit „Treuhandauftrag” überschrieben war, waren sich die BvS und die Klägerin darüber einig, dass die Klägerin die ihr abgetretenen Rechte nur treuhänderisch für die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 KVG anspruchsberechtigten Kommunen wahrnehmen solle. Anderslautende Vereinbarungen zwischen der Klägerin und einzelnen Kommunen wurden aber ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Weiter verpflichtete sich die Klägerin, die ihr übertragenen Aktien auf schriftliches Verlangen der Kommunen auf diese zu übertragen. Die Gewinnausschüttungen sollten den Kommunen zustehen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Übertragungsvertrages verweist der Senat auf Anlage 2 der Klageschrift.

Am 16. September 1999 wurde der Gesellschaftsvertrag der Klägerin vollständig neu gefasst. Am gleichen Tag schlossen 141 der Kommunen – von denen die Mehrheit an der Klägerin als Gesellschafter...

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