Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt. keine Übertragung des Kinderfreibetrags auf das Barunterhalt leistende Elternteil bei Unfähigkeit des betreuenden Elternteils zur Leistung von Barunterhalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Betreuungs- und Barunterhalt sind rechtlich gleichwertig mit der Folge, dass der den Betreuungsunterhalt leistende Elternteil von der Barunterhaltspflicht im Regelfall befreit ist.

2. Ist der das minderjährige Kind betreuende Elternteil zur Leistung von Barunterhalt nicht in der Lage, kommt die Übertragung des Kinderfreibetrags auf den Barunterhalt leistenden Elternteil nach der durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 eingeführten Neufassung des § 32 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 EStG nicht in Betracht.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 6 Sätze 6, 8; BGB § 1606 Abs. 3 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.06.2016; Aktenzeichen III R 18/15)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die Übertragung des vollen Kinderfreibetrages auf die Kläger zu Recht abgelehnt hat.

Die Kläger sind Ehegatten, die im Streitjahr (2013) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin ist die leibliche Kindesmutter der am 09.09.1996 geborenen C., für die sie im Streitjahr Barunterhalt leistete. Die ledige Tochter lebte im Streitjahr im Haushalt des sorgeberechtigten Kindesvaters D. und war dort auch polizeilich angemeldet (Bl. 87 ESt-Akte). Der Kindesvater bezog für sich und die Tochter C. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II).

Mit ihrer für das Streitjahr abgegebenen gemeinsamen Einkommensteuererklärung beantragten die Kläger für C. den Abzug des vollen Kinderfreibetrages (2.184 EUR) und des vollen Freibetrags für den Betreuungs-, und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (1.320 EUR) und führten zur Begründung aus, dass die Klägerin ihrer Barunterhaltsverpflichtung gegenüber ihrer Tochter in vollem Umfang nachkäme, während der Kindesvater in Ermangelung ausreichenden eigenen Vermögens bzw. eigener Einkünfte leistungsunfähig sei, sodass ein Anspruch auf die Übertragung nach Maßgabe des mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2012 durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2131) eingeführten § 32 Abs. 6 Satz 6 Alt. 2 des EinkommensteuergesetzesEStG – gegeben sei (siehe Bl. 88 ESt-Akte).

Mit Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 07.08.2014 lehnte der Beklagte die beantragte Übertragung der vorerwähnten Freibeträge ab. Der hiergegen (fristgerecht) eingelegte Einspruch blieb ebenso erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 22.09.2014 – auf die der beschließende Senat ergänzend Bezug nimmt (Bl. 12 f in 4 K 4233/14) – wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, dass die beantragte Übertragung daran scheitere, dass der Kindesvater seiner Verpflichtung zum Unterhalt nachgekommen sei, weil er C. in seinen Haushalt aufgenommen und dadurch Betreuungsunterhalt geleistet habe, der gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – dem von der Klägerin geleisteten Barunterhalt gleichwertig gegenüberstehe. Dass der Kindesvater keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielt oder verwertbares Vermögen besessen habe, sei unbeachtlich und könne die beantragte Übertragung nicht rechtfertigen. Hieran ändere auch die durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (a.a.O.) eingeführte Neufassung des § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG nichts, mit der der Gesetzgeber habe erreichen wollen, dass der Elternteil, der gezwungenermaßen allein für den Kindesunterhalt aufkomme, auch die volle steuerliche Entlastung erhalte solle. Eine solche Konstellation läge im Streitfall aber nicht vor, weil der Kindesvater durch die tatsächliche Versorgung zum Unterhalt von C. im Streitjahr mit beigetragen habe.

Hiergegen haben die Kläger am 22.10.2014 Klage erhoben, mit der sie daran festhalten, dass der Beklagte den Antrag auf Übertragung der o.g. Freibeträge unter Verkennung der Gesetzeslage zu Unrecht abgelehnt habe.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 07.08.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.09.2014 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Beklagte weitere Freibeträge für die am 09.09.1996 geborene Tochter C. in Höhe von 3.504 EUR in Ansatz bringt;

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage zurückzuweisen.

Er hält daran fest, dass eine Übertragung der Freibeträge ausscheidet, weil der Kindesvater seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber C. vollumfänglich durch deren Betreuung nachgekommen und dessen fehlende Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Barunterhalt unbeachtlich sei.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung neben je einem Band – Bd. – Streitakten zum Hauptsacheverfahren 4 K 4233/14 sowie zum Eilverfahren 4 4234/14 ein Bd. Einkommensteuerakten des Beklagten zur Steuernummer … vorgelegen, auf de...

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