Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Vorsorgeaufwendungen ist verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die beschränkte Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben ist in den Streitjahren 1993 bis 1999 verfassungsgemäß.

2. Das Urteil des BVerfG vom 13.2.2008 (BVerfG, Urteil vom 13.2.2008, 2 BvL 1/06, BGBl. 2008 I S. 540, BVerfGE 120, 125, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 bis 240) verstößt nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG oder die Menschenrechtskonvention.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nrn. 2-3, Abs. 2 S. 1, Abs. 3; GG Art. 20 Abs. 3; EMRK Art. 6 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.11.2011; Aktenzeichen X R 15/09)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Mit ihren Einkommensteuererklärungen machten die Kläger Vorsorgeaufwendungen für 1993 in Höhe von 25.540,00 DM, für 1994 in Höhe von 28.024,00 DM, für 1995 in Höhe von 26.356,00 DM, für 1996 in Höhe von 32.322,00 DM, für 1997 in Höhe von 30.855,00 DM, für 1998 in Höhe von 34.164,00 DM und für 1999 in Höhe von 33.862,00 DM geltend. Bei diesen Beträgen handelte es sich um Beiträge zur Sozialversicherung als Arbeitnehmer (gesetzliche Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung), Beiträge zur Krankenversicherung, zur Höherversicherung (freiwillige Rentenversicherung), zu privaten Lebensversicherungen, Unfallversicherung und Haftpflichtversicherung. Von diesen Beträgen erkannte der Beklagte (für 1993 das Finanzamt …) jeweils nur 7.830,00 DM als Sonderausgaben an. Dieser Betrag ergab sich jeweils aus den Berechnungen entsprechend der gesetzlichen Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 3 EinkommensteuergesetzEStG – in der jeweils anzuwendenden Fassung. Die Einsprüche, die die Kläger unter anderem zur Anerkennung weiterer Vorsorgeaufwendungen führten, blieben erfolglos.

Mit ihren Klagen (4 K 4493/00, 4 K 4509/00 und 4 K 4351/01), die mit Beschluss vom 27.05.2002 verbunden worden sind und die nunmehr das Aktenzeichen 7 K 4351/01 B führen, machen die Kläger geltend, dass weitere Vorsorgeaufwendungen entsprechend der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Liste (Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung), auf die verwiesen wird, abzugsfähig sein müssen. Diese Beträge müssten zusätzlich zu den bereits gewährten Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 7.830,00 DM abgezogen werden, weil dieser Höchstbetrag in allen Jahren bereits durch die Aufwendungen für die Rentenversicherung erreicht worden sei. Die Abzugsmöglichkeiten von Vorsorgeaufwendungen seien insgesamt zu gering und würden durch den Vorwegabzug und dessen Kürzung durch geleistete Arbeitgeberbeiträge zu sehr begrenzt.

Die Beiträge zur Krankenversicherung seien dem Existenzminimum zuzuordnen, soweit sie zur Erlangung einer sozialhilfegleichen Kranken- und Pflegeversorgung erforderlich seien. Insoweit müssten die Beiträge abzugsfähig sein. Da allerdings die Höchstbeträge bereits im Wesentlichen durch Rentenversicherungsbeiträge verbraucht seien, reichten sie nicht zu einer Berücksichtigung des Existenzminimums in dieser Hinsicht aus. Ein Abzug in realitätsgerechter Höhe und unter Einbeziehung von Zusatzversicherungen, die der Einzelne als Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung zwangsweise aufbringen müsse (z.B. für Zahnersatz), sei erforderlich, damit die Besteuerung verfassungsgemäß sei.

Bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung bestehe ebenfalls eine Nähe zum Existenzminimum. Auch diese müssten neben den bisherigen Höchstbeträgen und neben den Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung vollständig zum Abzug zugelassen werden, weil die Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen dazu bei Weitem nicht ausreichend bemessen seien. Hilfsweise komme in Betracht, diese Aufwendungen durch einen negativen Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen, da Zahlungen der Arbeitslosenversicherung steuerfrei seien, aber mit dem Progressionsvorbehalt belastet würden.

Sie, die Kläger, würden auch in ihren Rechten verletzt, weil die bislang vom Bundesverfassungsgericht verfolgte Linie, Entscheidungen erst für einen weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt wirksam werden zu lassen, obwohl die betreffende Norm als nicht mit der Verfassung im Einklang stehend erkannt werde, gegen die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und gegen die Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – verstoße. Auch verstoße dies gegen Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – Menschenrechtskonvention, MRK – vom 04.11.1950 (Bundesgesetzblatt – BGBl. – II 1952, 686). Eine Rücksichtnahme auf die „angeblichen” Finanzierungsprobleme des Staates sei nicht geboten und unzulässig. Denn dies führe zu einem nicht sachgerechten Handeln des Gesetzgebers, weil ihn die Folgen seines Handelns nicht träfen. Dies ge...

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