rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Hinzurechnung der von einem Bauträger als Herstellungskosten von Immobilien aktivierten Bauzeitzinsen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG. Anforderungen an Bildung einer pauschalen Rückstellung wegen Gewährleistungsverpflichtungen eines Bauträgers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Bauträger von dem Wahlrecht in R 6.3 Abs. 5 EStR Gebrauch gemacht und Bauzeitzinsen als Herstellungskosten von Wohnungen und Gewerbeeinheiten aktiviert, sind die Bauzeitzinsen unabhängig davon kein „Entgelt für Schulden” i. S. d. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, ob es sich bei den Wohnungen um Anlage- oder Umlaufvermögen gehandelt hat, ob die die Wohnungen bereits durch Veräußerung aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind und ob die Bauzeitzinsen im laufenden Wirtschaftsjahr oder in Vorjahren entstanden sind (gegen Schleswig-Holsteinischen FG, Urteil v. 21.3.2018, 1 K 243/15, EFG 2018 S. 1284; Anschluss an BFH, Urteile v. 30.9.2003, I R 19/02, BStBl 2004 S. 192; v. 10.3.1993, I R 59/92, BFH/NV 1993 S. 561).

2. Ein Bauträger muss damit rechnen, von den Käufern von Wohnungen und Gewerbeeinheiten aufgrund von Sachmängeln auf Mängelgewährleistungsleistungen in Anspruch genommen zu werden. Der Steuerpflichtige, den insoweit die Feststellungslast trifft, ist verpflichtet, zur Rechtfertigung einer von ihm begehrten pauschalen Rückstellung konkrete Tatsachen, z. B. zu betriebsindividuellen oder branchenüblichen Erfahrungen der Vergangenheit, darzulegen, soweit das nach den betrieblichen Verhältnissen zumutbar ist. Insoweit ist es nicht ausreichend, außer dem pauschalen Hinweis auf Erfahrungen im Bauträgergeschäft keine konkreten Erklärungen zu tatsächlichen Inanspruchnahmen in der Vergangenheit abzugeben.

3. Bei der bilanziellen Abbildung von Gewährleistungsverpflichtungen ist es auch zu berücksichtigen, wenn der Bauträger bei Mängeln aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen werthaltige Rückgriffsansprüche gegen das ausführende Bauunternehmen bzw. dessen Subunternehmer hat. Die daraus resultierenden Freistellungsansprüche des Bauträgers sind entweder zu aktivieren, oder sie sind bei der Rückstellungsbildung als rückstellungsbegrenzende Merkmale nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten zu berücksichtigen; denn es entspricht vernünftiger kaufmännischer Beurteilung, den rückstellungsbegründenden Sachverhalt nicht nur in seinen negativen Aspekten zu erfassen, sondern auch die positiven Merkmale zu berücksichtigen, die die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme mindern oder aufheben, weil der Kaufmann insoweit wirtschaftlich und rechtlich nicht belastet ist (vgl. BFH, Urteil v. 17.2.1993, X R 60/89, BStBl 1993 S. 437).

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3a; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. a; EStR R 6.3 Abs. 5

 

Tenor

Die Bescheide für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über den Gewerbesteuermessbetrag werden dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um weitere Rückstellungen in Höhe von 190.000,– EUR gemindert werden.

Der Bescheid für 2011 über den Gewerbesteuermessbetrag wird dahingehend geändert, dass der Gewerbeertrag um Hinzurechnungen von Entgelten für Schulden in Höhe von 159.106,– EUR gemindert wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 81 % und dem Beklagten zu 19 % auferlegt.

Die Revision wird hinsichtlich des angefochtenen Gewerbesteuermessbetrags zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig sind die Höhe von Rückstellungen sowie die Hinzurechnung von Fremdkapitalzinsen.

Unternehmensgegenstand der im Jahr 2007 gegründeten Klägerin sind der Erwerb, die Verwertung und die Vermietung von Grundstücken im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Klägerin wurde seit ihrer Gründung als Bauträgerin tätig. Sie erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Einkommensteuergesetz –EStG– und ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 EStG. Alleinige Kommanditistin mit einer Beteiligung von 100 % am Kapital der Klägerin ist die B. GmbH.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2008 für 5.920.000,– EUR das mit Wohngebäuden und einem ehemaligen Fabrikgebäude bebaute Grundstück C.-Straße in D.. Die Klägerin sanierte die Bestandsgebäude, teilte diese in Wohnungseigentum auf und verkaufte im Streitjahr 2011 die entstandenen 72 Wohnungen und vier Gewerbeeinheiten. Mit der Ausnahme von neun Wohnungen, bei denen dies erst im Jahr 2012 geschah, wurden die Wohnungen im Jahr 2011 an die Käufer übergeben. Die Klägerin aktivierte Bauzeitzinsen in Höhe von 5.346,– EUR (2009), 115.262,– EUR (2010) und 37.860,00 EUR (2011), zusammen also 158.468,– EUR.

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