rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einlegung eines Untätigkeitseinspruchs gemäß § 347 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 kein Rechtsbehelf i. S. des § 44 Abs. 1 FGO

 

Leitsatz (amtlich)

Die Klage gegen eine Einspruchsentscheidung, mit der auf einen Untätigkeitseinspruch gemäß § 347 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 hin der Erlass eines begehrten Verwaltungsakts abgelehnt wird, ist – wenn nicht die Voraussetzungen für eine Sprungklage gemäß § 45 FGO vorliegen – als Einspruch zu behandeln, da das nach § 44 Abs. 1 FGO vor Klageerhebung erforderliche außergerichtliche Vorverfahren bisher nicht durchgeführt ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 347 Abs. 1 S. 2; FGO § 44 Abs. 1, § 45 Abs. 1-2

 

Tenor

Die Sache wird zur Behandlung als Einspruch an den Beklagten abgegeben.

 

Tatbestand

Mit der am 25. Mai 1999 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen eine Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 29. April 1999, mit der auf einen Untätigkeitseinspruch gemäß § 347 I 2 Abgabenordnung –AO– der Klägerin vom 22. April 1998 hin die von dieser begehrte Zurechnungsfortschreibung hinsichtlich des streitbefangenen Grundstücks auf den 1. Januar 1997 auf die zivilrechtlichen Eigentümer abgelehnt wurde.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Einspruch zu behandeln, da das nach § 44 I FGO vor Klageerhebung erforderliche außergerichtliche Vorverfahren bisher nicht durchgeführt ist (I) und die Voraussetzungen für eine Sprungklage gemäß § 45 I FGO bisher nicht vorliegen (2) bzw. das Gericht – sollte der Beklagte einer Sprungklage zustimmen wollen – die Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens gemäß § 45 II 1 FGO für erforderlich erachtet (3).

1) Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage setzt nach § 44 I FGO die erfolglose Durchführung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens – gemäß §§ 347 ff. AO – voraus. Daran fehlt es im Streitfall.

Zwar hat die Klägerin „Untätigkeitseinspruch” (gemäß § 347 I 2 AO) eingelegt, nachdem der Beklagte über ihren Antrag auf Zurechnungsfortschreibung nicht entschieden hatte. Die Erhebung eines derartigen Untätigkeitseinspruchs ist jedoch nicht die Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs, der in § 44 I FGO gemeint ist, sondern stellt einen Rechtsbehelf eigener Art dar, der ausschließlich darauf gerichtet ist, eine Entscheidung über einen Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsaktes durch die Finanzbehörde zu erwirken. Eine daraufhin schließlich ergehende Entscheidung der Finanzbehörde, mit der – wie im Streitfall – der Erlaß des beantragten Verwaltungsakts abgelehnt wird, ist deshalb keine Einspruchsentscheidung im eigentlichen Sinne, sondern – materiell – eine „Erst”-Entscheidung, gegen die ggf. der (normale) Einspruch gegeben ist (vgl. dazu Hübschmann – Hepp – Spitaler/Birkenfeld, § 347 AO, Rdnr. 209).

Daß der Beklagte seine Entscheidung fälschlich als „Einspruchsentscheidung” bezeichnet hat, ändert hieran nichts.

2) Die Voraussetzungen des § 45 I FGO für die ausnahmsweise zulässige Erhebung einer Sprungklage sind im Streitfall bisher ersichtlich nicht erfüllt, weil der Beklagte ihr nicht zugestimmt hat.

3) Das Gericht sieht auch davon ab, den Beklagten um seine Zustimmung zu ersuchen, da es – im Falle ihrer Erteilung – die Sache gemäß § 45 II FGO gleichwohl an ihn abgeben würde, da die Bearbeitung weitere verfahrensrechtliche Schritte erfordert: Eine dem Antrag der Klägerin entsprechende Entscheidung könnte nicht ohne Beteiligung der zivilrechtlichen Eigentümer – d. h. konkret nur unter deren Hinzuziehung zum Verfahren gemäß § 360 AO – erfolgen, die bisher offensichtlich nicht erfolgt ist; dies setzt u. U. wiederum zeit- und arbeitsaufwendige Ermittlungen voraus, die zweckmäßigerweise durch den Beklagten vorgenommen werden sollten, so daß die Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens im Interesse aller Beteiligten als geboten erscheint.

Das Gericht vermag ohnehin nicht zu verstehen, aus welchem Grunde Streitigkeiten über die Zurechnung von Grundtücken, die der (früher staatlichen) Verwaltung durch Wohnungsbaugesellschaften des Lands Berlin in denjenigen Bezirken, in denen das Grundgesetz vor dem 3. Oktober 1990 noch nicht galt, unterliegen oder – lagen, lediglich im Fall der Klägerin und des Beklagten zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten (über 50) vor dem Finanzgericht führen, während, es trotz doch offensichtlich gleicher Problematik von anderen Wohnungsbaugesellschaften gegenüber anderen Finanzämtern in keinem einzigen Fall bisher zu einem Finanzrechtsstreit gekommen ist; dies ist um so weniger erklärlich, als dem Vernehmen nach mit dem Präsidenten der Oberfinanzdirektion Berlin im Aufsichtsrat der Klägerin der Leiter jener Behörde vertreten sein soll, die die Fachaufsicht über den Beklagten führt. Daß die Vielzahl derartiger Rechtsstreitigkeiten Arbeitskraft – nicht nur im Bereich der Verwaltung – in erheblichem Umfang bindet und darüber hinaus – durch die in jedem Einzelfall erfolgende Einschaltung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin – unabhängig vom Ausgang des jeweiligen Verfahrens jeden...

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