Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung degressiver AfA bei der Aufteilung des Veräußerungsgewinnsbei einer Veräußerung nach dem 31.3.1999 im Wege der Schätzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen enthalten, die bis zum 31.3.1999 steuerfrei hätten realisiert werden können, ist nach den Entscheidungen des BVerfG v. 7.7.2010 (Az.: 2 BvL 14/02, 2; BvL 2/04; 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1) die Besteuerung dieser Wertsteigerungen verfassungswidrig.

2. Wird der tatsächliche Wert eines Grundstücks zum 313.1999 nicht nachgewiesen, ist die schätzweise Aufteilung des steuerbaren Wertzuwachses entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31.3.1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit grundsätzlich vertretbar.

3. Dies gilt jedoch nicht für konkret in einzelnen Besitzzeiträumen in Anspruch genommene Sonderabschreibungen und andere Absetzungen, die im Veräußerungsgewinn enthalten sind. Diese sind bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns konkret in dem Zeitraum zu berücksichtigen, in dem sie geltend gemacht wurden. Eine zeitanteilige, streng lineare Berücksichtigung der während der Haltedauer geltend gemachten AfA wird den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 Sätze 1, 4, § 22 Nr. 2, § 7 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.05.2014; Aktenzeichen IX R 51/13)

BFH (Urteil vom 06.05.2014; Aktenzeichen IX R 51/13)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. August 2011 wird der Einkommensteuerbescheid 2006, zuletzt vom 12. Februar 2013 dahingehend geändert, dass Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften vor Verrechnung eines Verlustvortrages in Höhe von 1.820 EUR lediglich in Höhe von 13.953 EUR berücksichtigt werden. Der Beklagte hat die danach festzusetzende Einkommensteuer zu berechnen. Er hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen. Nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist vorliegend die Berechnung der Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Zusammenhang mit der vom Bundesverfassungsgericht teilweise für verfassungswidrig erklärten Verlängerung der sog. Spekulationsfrist von zwei Jahren auf zehn Jahre bei Grundstücken.

Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erzielten sie im Streitjahr u.a. Vermietungseinkünfte. Mit notariellem Vertrag vom 24. Oktober 1996 (Bl. 8 ff Allgemeine Akte) erwarben die Kläger eine Eigentumswohnung in einem noch zu erstellenden 13-Familien-Wohnhaus in X, A-Straße 1 zum Kaufpreis von 345.000 DM. Ab 1996 machten sie laut Überwachungsbogen für Gebäude (Bl. 1 Allgemeine Akte) sog. degressive Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b EStG geltend. Mit Kaufvertrag vom 23. Juni 2006 (Bl. 24 ff Rechtsbehelfsakte) veräußerten sie das Objekt zum Preis vom 141.000 EUR.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (Bl 1 ff Einkommensteuerakte 2006), die am 18. Januar 2008 beim Beklagten einging, erklärten die Kläger Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aus dem Verkauf des Objekts A-Straße in Höhe von 32.544 EUR. Diese berechneten sie wie folgt:

Veräußerungspreis:

141.000 EUR

abzüglich Anschaffungskosten:

87.010 EUR

zuzüglich AfA:

80.869 EUR

abzüglich Veräußerungskosten:

2.315 EUR

Gewinn:

32.544 EUR

Der Beklagte veranlagte mit Bescheid vom 26. Februar 2008 (Bl. 38 f Klageakte) antragsgemäß. Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 3. März 2008 (Bl. 1 Rechtsbehelfsakte) Einspruch ein und baten um Ruhen des Verfahrens. Sie beriefen sich auf die zu diesem Zeitpunkt beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren 2 BvL 2/04 und 2 BvL 13/05. Diese hatten die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 zum Gegenstand, und zwar speziell hinsichtlich der Verlängerung der sog. Spekulationsfrist von zwei Jahren auf zehn Jahre im Hinblick auf solche Veräußerungsgeschäfte, für die die Frist am 31. Dezember 1998 bereits abgelaufen war und die nach der Neuregelung ohne Übergangsregelung ebenfalls der Einkommensteuer unterworfen wurden. Der Beklagte entsprach dem Ruhensantrag.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05 (Sammlung der Entscheidungen des BVerfG – BVerfGE – 127, 1) festgestellt hatte, dass das o.g. Gesetz insoweit verfassungswidrig war, als mit der Neuregelung Wertzuwächse besteuert wurden, die bis zum Zeitpunkt der Verkündung der Gesetzesänderung am 31. März 1999 bereits eingetreten waren und nach der bisherigen Rechtslage steuerfrei realisiert wurden oder steuerfrei hätten realisiert werden können, schlug der B...

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