Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Gestaltungsmissbrauch zur Vermeidung der Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei der Zurückbehaltung eines Gesellschaftsanteils von 5,6 %

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es liegt kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vor, wenn zur Vermeidung der Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei einer Personengesellschaft, die Eigentümerin inländischer Grundstücke ist, sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand nur dergestalt ändert, dass lediglich 94,4 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen.

2. Behalten Altgesellschafter einer Personengesellschaft mehr als 5 % der Anteile an dem Gesellschaftsvermögen zurück, enfernt sich die Rechtsgestaltung von der Konstellation, in der die vollständige und wesentliche gesellschaftsrechtliche Verfügung über Gesellschaftsanteile einer sachenrechtlich vollzogenen Grundstücksübertragung gleichzustellen ist.

3. Die Beteiligung eines „Altgesellschafters” als Kommanditist mit einer Beteiligung von 5,6 % reicht aus, um eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu vermeiden, da dieser nach § 164 S. 1 HGB einer Veräußerung der Grundstücke durch den Komplementär widersprechen kann.

4. Der Erwerb einer Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft begründet keinen Anspruch des Erwerbers auf Übereignung von Gesellschaftsgrundstücken und unterliegt daher nicht der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 2a; AO § 42; HGB § 164

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.07.2014; Aktenzeichen II R 49/12)

 

Tenor

1. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid vom 16. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2006 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anwendung von § 42 Abgabenordnung (AO) neben § 1 Abs. 2 a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) in der am 16. Oktober 2000 geltenden Fassung.

An der Klägerin waren als Kommanditisten X… (X) mit einer Pflichteinlage von 450.000 Euro (im Handelsregister eingetragene Hafteinlage hiervon abweichend 9.000 Euro) sowie Y… (Y) mit einer Pflichteinlage von 2.050.000 Euro (Hafteinlage 41.000 Euro) beteiligt. Komplementärin ohne eigenen Kapitalanteil (vgl. § 4 des Gesellschaftsvertrags vom 4. September 2000, Gerichtsakte Seite 138) ist die A-GmbH. Vom Stammkapital der Komplementärin hielten X einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 21.600 DM (18 %) und Y zwei Geschäftsanteile im Nennbertag von je 49.200 DM (zusammen 82 %).

Mit Vertrag vom 16. Oktober 2000 veräußerten die bisherigen Gesellschafter der Klägerin ihre Anteile an dieser an die O. E. Ltd., Zypern, mit Wirkung zum 1. November 2001 wie folgt:

a)

Sämtliche Stammanteile an der Komplementärin

120.000 DM

b)

Gesamte Pflichteinlage des Kommanditisten

X 450.000 Euro

c)

Teil-Pflichteinlage der Kommanditistin Y (anteilige Hafteinlage 38.200 Euro)

1.910.000 Euro

Die Kommanditistin Y behielt eine Teil-Pflichteinlage in Höhe von 140.000 Euro (anteilige Hafteilage 2.800 Euro) und damit einen Anteil von 5,6 % zurück.

Nach § 6 des Kaufvertrages ist die Käuferin berechtigt, jederzeit die Übertragung des von Frau Y zurückbehaltenen Teilkommanditanteils zu verlangen. Wird die Kaufoption nicht spätestens bis zum 31. Dezember 2006 ausgeübt, so kann Frau Y von der O. E. Ltd. den Erwerb zum Kaufpreis von 1.300.000 DM verlangen.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA) sah aufgrund des Vertrages vom 16. Oktober 2000 die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG bzw. des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht als erfüllt an und setzte deshalb keine Grunderwerbsteuer fest.

Mit Prüfungsanordnung vom 25. September 2002 wurde für die Klägerin eine Außenprüfung angeordnet. Prüfungsbeginn war der 22. Oktober 2002. Im Prüfungsbericht ist unter C 3.1 festgestellt, dass die Vertragsparteien neben dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 16. Oktober 2000 folgende weitere Vereinbarungen getroffen hatten:

  • 16. bzw. 19. November 2001: Übertragung des Gewinnstammrechts aus dem bei Frau Y verbliebenen Gesellschaftsanteils auf die O. E. Ltd.
  • 16. bzw. 19. November 2001: Darlehensgewährung der O. E. Ltd. an Frau Y in Höhe des spätestens am 31. Dezember 2006 fälligen Kaufpreises von 1.300.000 DM, wobei der abgezinste Darlehensbetrag von 1.000.000 DM sofort ausbezahlt wird.
  • 20. November 2001: Unwiderrufliche Vollmacht bis 31. Dezember 2006 an Vertretungsberechtigten der O. E. Ltd., Rechtsanwalt Dr. R. B., in Bezug auf den verbliebenen Gesell...

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