Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des § 35 EStG in der ab 2008 geltenden Fassung. Verfassungsmäßigkeit der Berechnung des Solidaritätszuschlags unter Berücksichtigung des § 35 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass durch die Regelung des § 35 EStG bei der Berechnung des Solidaritätszuschlags lediglich gewerbliche Einkünfte von Einzelunternehmern und Mitunternehmern begünstigt werden.

2. Eine Überkompensierung bei der Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer ist seit der ab dem Veranlagugnszeitraum 2008 geltendenden Fassung des § 35 EStG ausgeschlossen.

3. Mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag kann weder dessen Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden.

 

Normenkette

EStG § 35; GG Art. 3 Abs. 1; SolZG § 1 Abs. 5 S. 1, §§ 3, 4 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.11.2018; Aktenzeichen II R 63/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Grundsatz der steuerlichen Lastengleichheit des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet, dass der Steuerermäßigungsbetrag des § 35 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für Zwecke der Festsetzung des Solidaritätszuschlags nach der Summe aller positiven Einkünfte ermittelt wird.

Die Kläger sind verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.

Mit Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 20. Februar 2011 legte der Beklagte der Besteuerung der Kläger folgende Besteuerungsgrundlagen zugrunde:

Einkunftsart

Kläger

Klägerin

Gewerbebetrieb

0,00 EUR

1.066,00 EUR

nichtselbständige Tätigkeit

48.896,00 EUR

12.200,00 EUR

Kapitalvermögen

53.010,00 EUR

0,00 EUR

Vermietung und

Verpachtung

7.803,00 EUR

28.303,00 EUR

Sonstige

1.346,00 EUR

0,00 EUR

Summe

111.055,00 EUR

41.569,00 EUR

Hierdurch ergab sich auf das insgesamt zu versteuernde Einkommen in Höhe von 142.652,– EUR Einkommensteuer in Höhe von 50.174,– EUR, Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.759,56 und evangelische Kirchensteuer in Höhe von 4.013,92 EUR.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2013 legten die Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 20. Februar 2013 ein und machten geltend, der Solidaritätszuschlag begünstige vor dem Hintergrund des § 35 EStG Gewerbetreibende, während alle anderen Steuerzahler mit nichtgewerblichen Einkünften benachteiligt würden. Nach § 35 EStG würde nämlich eine Pauschale für die Gewerbesteuer die tarifliche Einkommensteuer ermäßigen, und nur diese sei Grundlage für den Solidaritätszuschlag. Daher beantragten die Kläger eine fiktive Anrechnung nach § 35 EStG in Höhe von 13.763,60 EUR, was zu einer Reduzierung des Solidaritätszuschlags in Höhe von 757,– EUR führen würde.

Der Beklagte folgte dem allerdings nicht und wies mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2013 (Bl. 61 ff. der Rechtsbehelfsakte) den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Die Kläger tragen vor, § 35 EStG sei mit Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 eingeführt worden, um Einzelunternehmen und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer zu entlasten und mit Gesetzesänderung 2007 „in der jetzigen Fassung geändert” worden.

Nach der Rechtsprechung des BFH sei § 35 EStG „für 2005 nicht verfassungswidrig”. Allerdings habe der BFH mit Urteil vom 21. Juli 2011 festgestellt, dass bei der Anrechnung nach § 35 EStG 2005 Überkompensationen entstehen könnten, wenn die gesamte Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags größer gewesen sei als die erhobene Gewerbesteuer.

Mit Wirkung ab 2008 sei § 35 EStG neu gefasst worden. Nunmehr würden gewerbliche Einkünfte gegenüber allen anderen Einkünften über einem Betrag von 24.500,– EUR beim Solidaritätszuschlag über die Anrechnung nach § 35 EStG bevorteilt. Die Gewerbesteuer werde ab 2008 regelmäßig in voller Höhe bei der Einkommensteuer angerechnet und entlaste über die Anrechnung nach § 35 EStG den Solidaritätszuschlag entsprechend. Damit stelle die „Überentlastung” für gewerbliche Einkünfte seit 2008 den Regelfall bei der Entlastung beim Solidaritätszuschlag dar. Eine sachliche Rechtfertigung, die diese Ungleichbehandlung entsprechend Art. 3 GG legitimiere, sei nicht zu erkennen und sei vom Gesetzgeber auch nicht gewollt, sondern lediglich übersehen worden. Auch sei die Streitfrage nicht durch die Vorläufigkeitsregelung zum Solidaritätszuschlag nach § 165 AO abgedeckt.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid über die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag für 2011 vom 1. Oktober 2013 zu ändern mit dem Ziel, dass der Solidaritätszuschlag um 757,– EUR gemindert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er – unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung im übrigen – vor, im Streitfall liege kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Zwar liege eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Einkünfte vor. Diese sei jedoch gerechtfertigt, da die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteue...

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