Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug bei der Erstellung einer Mehrzweckhalle durch eine juristische Person öffentlichen Rechts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erstellt eine juristische Person des öffentlichen Rechts eine Mehrzweckhalle und überlässt sie diese auf privatrechtlicher Grundlage gegen Entgelt an Vereine im Rahmen des Erwachsenensports, handelt sie als Unternehmer und ist zum Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten für die Mehrzweckhalle berechtigt.

2. Ob das Entgelt dem Wert der Leistung entspricht, ist für das Vorliegen eines Leistungsaustausches unerheblich.

3. Geht die Finanzverwaltung davon aus, dass aufgrund des sehr niedrigen Entgelts und des sehr hohen Vorsteuervergütungsanspruches die Gefahr einer Steuerumgehung vorliegt, bleibt nur der Weg über einen Antrag nach Art 395 Abs. 1 MwStSystRL, von der MwStSystRL abweichende Sondermaßnahmen (z.B. Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage § 10 Abs. 5 UStG) einzuführen.

4. Die stundenweise Überlassung von Sportanlagen ist nicht gem. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei.

5. Der Sonderfall einer Privatentnahme i. S. v. Art. 26 Abs. 1 MwStSystRL, bei der der Unternehmer den gemischt wirtschaftlich und privat verwendeten Gegenstand voll dem Unternehmen zuordnen und dann aufgrund der Unternehmenszuordnung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann, liegt nicht vor, wenn die nichtwirtschaftliche Tätigkeit in der Verwendung für den Hoheitsbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts besteht.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, 3 S. 1, § 3 Abs. 1, § 10 Abs. 1, § 4 Nr. 12a; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1; MwStSystRL Art. 167-168, 13, 395 Abs. 1, Art. 132 Abs. 1 Buchst. m, Art. 26 Abs. 1; GemO §§ 78, 10 Abs. 2; BW-KAG § 13 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.06.2017; Aktenzeichen XI R 12/15)

 

Tenor

1. Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 10. Oktober 2012, der Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 26. März 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2013 soweit die Besteuerungszeiträume 2010 und 2011 betroffen sind sowie der Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 04. Juli 2014 werden dahingehend geändert, dass im Besteuerungszeitraum 2010 weitere Vorsteuer in Höhe von 205,69 Euro, in 2011 weitere Vorsteuer in Höhe von 682,89 Euro und in 2012 weitere Vorsteuer in Höhe von 12.609,83 Euro festgesetzt werden.

2. Die Kosten der Verfahrens werden zu 14/100 dem Beklagten und zu 86/100 der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner kann die Vollstreckung durch einfache Erklärung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts und hat im Zeitraum von 2010 bis 2014 eine neue Sporthalle (X) mit angrenzender Gaststätte errichtet. Die Gesamtherstellungskosten (brutto) der Halle betrugen x.xxx.xxx Euro.

Die Sporthalle verfügt über einen bestimmten, nur für Sporthallen geeigneten Bodenbelag. Dieser Belag hat die für die jeweiligen Sportarten notwendigen Markierungen. Die Halle ist mit diversen sportlichen Vorrichtungen, insbesondere Turn- und Sportgeräten ausgestattet (hinsichtlich der Ausstattung wird im Einzelnen auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 04. März 2015, Bl. 214 ff Gerichtsakte Bezug genommen).

Sie (inkl. der Einrichtungsgegenstände) sollte laut Planung für Sportzwecke durch Vereine und Schulen genutzt werden. Die Nutzung zu Zwecken des Schulsports war unentgeltlich geplant, für die Inanspruchnahme der Sporthalle durch Vereine für „Erwachsenensport” sollte eine Nutzungspauschale von 1,50 Euro pro Stunde pro Hallenteil (insgesamt vier Hallenteile) erhoben werden, womit maximal ein Kostendeckungsgrad von 12,03 % erreicht werden konnte (vgl. Schreiben des Klägervertreters vom 05. März 2015, Bl. 217 Gerichtsakte).

Unstreitig plante die Klägerin, in den streitigen Besteuerungszeiträumen 14,29 % der Halle zu dem genannten Entgelt in Höhe von 1,50 Euro an Vereine zu überlassen. Die Vorsteuervergütungsansprüche aus den Herstellungskosten der Streitjahre entfielen insoweit in 2010 in Höhe von 205,69 Euro, in 2011 in Höhe von 682,89 Euro und in 2012 in Höhe von 12.609,83 Euro auf den für diese Nutzung geplanten Teil der Halle.

Die Klägerin hat die Überlassung aller ihrer Sport-/Mehrzweckhallen am 14. Dezember 2005 in einer Entgeltordnung geregelt (Bl. 41 Gerichtsakte). Danach wird für die Inanspruchnahme von Sport-/Mehrzweckhallen für den Übungs-,Trainings- und Schulungsbetrieb zur teilweisen Deckung der Betriebskosten eine Nutzungspauschale pro Stunde und Hallenteil von 1,50 Euro erhoben (Erwachsenensport). Die Nutzungspauschale wird anhand der jeweils mit den Vereinen privatrechtlich vereinbarten Hallenbuchung (Belegungspläne) berechnet. Die Abrechnung erfolgt zweimal jährlich im Voraus (Vgl. Satzung Abschnitt B.I.1).

Für allgemeine Veranstaltungen der Vereine werden im Gegensatz dazu 0,25 Euro...

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