Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlen des Vorbehalts der Nachprüfung als offenbare Unrichtigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO ist gegeben, wenn bei der Bearbeitung des Falles entweder der Hinweis auf eine Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung übersehen oder vergessen wird, die Kennziffer für die Vorbehaltsfestsetzung einzugeben.

2. Steht eine Außenprüfung an, ergibt sich aus der Natur der Sache, den Fall bis zur abschließenden Prüfung durch die Betriebsprüfung offen zu halten.

3. Ist einem unvoreingenommenen Dritten bei Kenntis der internen Arbeitsanweisung klar und deutlich erkennbar, dass der Bearbeiter offensichtlich entweder die Kennziffer für die Vorbehaltsfestsetzung übersehen oder vergessen hat, sie einzugeben, ist die Unrichtigkeit des Bescheides hinsichtlich des fehlenden Vorbehaltsvermerks auch dann offenbar, wenn sie aus dem betreffenden Steuerbescheid selbst nicht erkennbar ist.

4. Ist die Anordnung des Vorbehaltsvermerks versehentlich unterblieben, ist es nicht notwendig, diesen Bescheid nach § 129 AO zu berichtigen; der Bescheid kann unmittelbar nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden.

 

Normenkette

AO §§ 129, 164 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.07.2010; Aktenzeichen IV R 56/07)

BFH (Urteil vom 01.07.2010; Aktenzeichen IV R 56/07)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin (Klin) entwickelt, produziert, vertreibt und handelt mit …. Produkten. Sie gehört zum Konzern der Z- AG, der der Anschlussprüfung unterliegt.

In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung vom 31. Juli 2002 für das Jahr 2000 wies sie einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.428.321 DM aus. In Ihrer Gewerbsteuer-(GewSt)-Erklärung, ebenfalls vom 31. Juli 2002, gab sie einen Gewerbeverlust von 1.431.351 DM an.

Die Veranlagungsverwaltungsstelle (VVST) stempelte auf der ersten Seite des Erklärungsbogens (Feststellungsakte 2000, S. 10) oben in den grünen Feldern in dem zweiten dick umrandeten Kästchen über die ersten beiden Zeilen hinweg rechts rot die Ziffer „1” ein. Auf der Anlage GSE (Feststellungsakte 2000, S. 12) ist unterhalb der Angabe zur Art des Unternehmens auf Zeile 5 die Buchstaben/Ziffernfolge „S. 7” von dem Bearbeiter des Beklagten (Bekl) Herrn R notiert. Das Arbeitsplatzprotokoll für die Feststellung von Grundlagen für die Einkommensteuer vom 26. September 2002 (Feststellungsakte 2000, S. 17) weist Herrn R als Bearbeiter mit der Personalbenutzungsidentifikationsnummer (PBI) F.0 aus, der es auch mit Namenskürzel unterschrieben hatte. Auf diesem Protokoll befindet sich rechts neben dem letzten Absatz mit Bleistift von dem Bearbeiter Herrn R geschrieben die Wort- und Zahlenfolge: „Saldo S. 1 S. 11” (Akte Einheitlich-Gesonderte Feststellung 2000, S. 17). Das Arbeitsplatzprotokoll für die GewSt-Meßbetragsberechnung vom 24. September 2002 (GewSt-Akte 2000, S. 5) gibt als Ersteller die PBI F…4 an. Es ist von zwei Bearbeitern, darunter Herrn R, mit Namenskürzel unterschrieben.

Mit den Steuererklärungen reichte die Klin beim Bekl auch einen Jahresabschluss mit Bilanz zum 31. Dezember 2000 und Gewinn- und Verlustrechung sowie Bilanzbericht ein. Der Jahresabschluss für das Jahr 2000 enthält auf Seite 1 die Bilanz zum 31. Dezember 2000, auf Seite 7 die Gewinnverteilung, auf Seite 11 das Kommanditkapital und erläutert auf Seite 12 näher das in der Bilanz von einem Gesellschafter an die Kl gegebene Darlehen. Die Darlehensverträge legte die Klin im Rahmen der im Jahre 2003 durchgeführten Betriebsprüfung vor. Den Gesellschaftsvertrag der Klin hatte der Bekl schon am 11. November 1999 erhalten (Allgemeine Akte, Gesellschaftsvertrag).

Am 11. Oktober 2002 erließ der Bekl teilweise vorläufig, aber ohne Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) einen Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) (künftig Feststellungsbescheid 2000) und stellte 2000 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.428.321 DM fest. Ebenfalls am 11. Oktober 2002 erging ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2000 mit einem Gewerbeverlust aus 2000 in Höhe von 1.431.351 DM. Dieser Bescheid enthält die Nebenbestimmung des Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO. Außerdem erließ der Bekl am 7. November 2002 den Bescheid für 2000 über den GewSt-Messbetrag mit einem Gewerbeverlust von 1.431.351 DM und einem GewSt-Messbetrag von 0 DM. Auch dieser Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Bei der Betriebsprüfung im Jahre 2003 u.a. wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, gesonderter Feststellung des verrechenbaren Verlustes und wegen GewSt für die Jahre 1999 bis 2000 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Verlust aus Gewerbebetrieb ...

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