rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflicht von Gewinnen aus der Veräußerung von sogenannten Kryptowährungen. kein strukturelles Erhebungsdefizit bei der Besteuerung von Kryptowährungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Kryptowährungen, z. B. Bitcoin, handelt es es sich um immaterielle Wirtschaftsgüter und damit um „andere Wirtschaftsgüter” im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, sodass der Gewinn bei einem Verkauf innerhalb von einem Jahr nach der Anschaffung steuerpflichtig ist.

2. Das Finanzamt ist nicht dazu verpflichtet, die Ermittlung der Veräußerungsgewinne durch den Steuerpflichtigen detailliert nachzuprüfen und ggf. eigene Ermittlungen anzustrengen.

3. Die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kryptowährungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist ungeachtet dessen nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits verfassungswidrig, dass sich die meisten Handelsplattformen für Kryptowährungen im Ausland befinden, die Veräußerung der Kryptowährungen bei den Internetbörsen möglicherweise anonym erfolgt und sich private Veräußerungsgeschäfte mit Kryptowährungen durch die Finanzverwaltung nur schwer aufdecken lassen.

4. Der Gesetzgeber ist weder verpflichtet noch dazu in der Lage, auf jede (technische) Neuerung sofort regulatorisch zu reagieren. Er hat einen weiten Ermessenspielraum und darf zunächst deren erste Entwicklung abwarten. Er muss im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung erst dann reagieren, wenn sich gravierende Missstände zeigen. Solche bestanden bei der Besteuerung von Kryptowährungen jedenfalls zum Streitjahr 2017 noch nicht.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1; AO § 90 Abs. 2, § 117 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Steuerpflicht von Gewinnen aus der Veräußerung von sogenannten Kryptowährungen.

Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Einkommensteuererklärung 2017 gab er zudem Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 31.904 EUR an. Diese stammten aus dem Handel mit Kryptowährungen. Den Handel betrieb der Sohn des Klägers treuhänderisch für diesen. Gleichzeitig handelte der Sohn auch treuhänderisch für seine Mutter und in seinem eigenen Namen.

Der Beklagte berücksichtigte die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Einkommensteuerbescheid 2017 vom 14.05.2019 i.H.v. 32.244 EUR. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Nach einem Hinweis des Klägervertreters, dass von dem berücksichtigten Gewinn i.H.v. 32.244,09 EUR noch die erklärten Werbungskosten abzuziehen seien, änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung mit Bescheid vom 24.05.2019 und berücksichtigte nun die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften wie vom Kläger erklärt in Höhe von 31.904 EUR. Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 24.06.2019 Einspruch ein, welchen der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16.07.2019 als unbegründet zurückgewiesen hat. Gleichzeitig hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Mit der fristgerecht erhobenen Klage trägt der Klägervertreter vor, dass der Sohn des Klägers, Herr A, seit 2015 für sich persönlich in Kryptowährungen investiere und sich dafür bei Handelsplattformen im Internet angemeldet habe. Im Jahr 2016 habe sich der Kläger an dem Portfolio seines Sohnes beteiligt. Hierfür habe der Kläger erstmalig am 10.05.2016 eine Zahlung in Höhe von 700 EUR an seinen Sohn geleistet, um einen prozentualen Anteil am Gesamtportfolio zu erwerben. Seine Beteiligung habe dem Verhältnis seiner Zahlung zum Gesamtwert des Portfolios einschließlich des Zahlungsbetrages entsprochen. Die Beteiligung habe sich aufgrund von weiteren Zahlungen durch den Kläger nachfolgend entsprechend geändert. Ab dem 13.04.2017 habe sich außerdem auch die geschiedene Frau des Klägers, Frau B, an dem Gesamtportfolio beteiligt. Weitere Beteiligte habe es nicht gegeben. Alle Beteiligten hätten im Streitjahr ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt und der Handel von Kryptowährungen sei vom Inland aus betrieben worden.

Die Beteiligten seien sich über die jeweiligen Beteiligungsquoten an dem Gesamtdepot einig gewesen. Investitionsentscheidungen seien gemeinsam abgesprochen worden. Jeder der Beteiligten habe jederzeit das Recht gehabt, investierte Beträge durch den anteiligen Verkauf des Depots zu realisieren und seinen Anteil zurückzuerhalten. Das gemeinsam investierte Geld habe Herr A für die beiden Mitinvestoren jeweils treuhänderisch verwaltet. Er habe es zunächst über sein Bankkonto in US-Dollar (USD) getauscht. Sodann habe er mit diesen USD-Beträgen die Kryptowährung Bitcoin gekauft. Mit Teilen der Bitcoin-Bestände habe Herr A direkt gehandelt. Andere Bitcoin-Bestände ha...

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