Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückabwicklung eines Darlehens. Nutzungsentgelt der Bank für bereits erbrachte Tilgungsleistungen keine Kapitalerträge, sondern Minderung der Zinslast des Darlehensnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erhält der Darlehensnehmer im Rahmen der Rückabwicklung eines Darlehens von der Bank ein Nutzungsentgelt für von ihm bereits erbrachte Tilgungsleistungen, erzielt er damit bei wirtschaftlicher Betrachtung keine steuerbaren Kapitalerträge, wenn nach Abrechnung aller gegenseitigen Ansprüche aus dem rückabgewickelten Darlehensverhältnis im Ergebnis eine über die Rückzahlung der Darlehensvaluta hinausgehende (Zins-)Belastung des Darlehensnehmers verbleibt. Vielmehr sind das Darlehensverhältnis und die Rückabwicklung als eine Einheit zu betrachten mit der Folge, dass die Rückabwicklung zu einer Reduzierung der Zinslast des Darlehensnehmers führt.

2. Steuerrechtlich entfaltet der Widerruf des Darlehensnehmers keine Rückwirkung und kann den in der Vergangenheit verwirklichten Sachverhalt in Form der Darlehensgewährung durch die Bank einerseits und die darauf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen des Darlehensnehmers an die Bank andererseits nicht ungeschehen machen.

3. Wie der Zahlungsanspruch der Bank aus der Rückabwicklung des Darlehens berechnet wurde und welche zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen berücksichtigt wurden, ist für die steuerliche Beurteilung unerheblich.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 9, § 32d Abs. 1; AO § 41 Abs. 1; BGB § 357 Abs. 1 S. 1, § 346 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.11.2023; Aktenzeichen VIII R 5/21)

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2016 vom 09.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.05.2018 wird dahingehend abgeändert, dass nach § 32d Abs. 1 EStG zu besteuernde Kapitalerträge in Höhe von 10.807 EUR berücksichtigt werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten aufgegeben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 45% und der Beklagte zu 55% zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der dem Kläger zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Steuerbarkeit von Ansprüchen des Klägers aus einem widerrufenen Darlehensvertrag.

Der Kläger ist nichtselbständig tätig und wurde im Streitjahr 2016 allein zur Einkommensteuer veranlagt. Er schloss am 02.09.2010 einen Darlehensvertrag mit der Bank über 230.000 EUR zur Finanzierung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie ab. Die Darlehenszinsen in Höhe von 2,9% p.a. waren bis 31.08.2020 festgeschrieben. Die Bank zahlte das Darlehen am 21.10.2010 in voller Höhe aus. Die monatliche Annuität betrug 2.270 EUR. Mit Schreiben vom 22.01.2016 widerrief der Kläger unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Bis einschließlich 01.02.2016 zahlte er insgesamt 143.176,75 EUR auf das Darlehen, davon Zinsen in Höhe 26.681,60 EUR (…) und Tilgung in Höhe von 116.495,15 EUR. Der Darlehenssaldo betrug am 01.02.2016 mithin noch 113.504,85 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Darlehensvertrag vom 02.09.2010 sowie die weiteren Darlehensunterlagen verwiesen.

Bezüglich der gegenseitigen Ansprüche aus der Rückabwicklung erklärte der Kläger die Aufrechnung. Die Vertragsparteien verständigten sich in der Folge auf „eine Rückabwicklung nach den gesetzlichen Regelungen über die Rückabwicklung nach erfolgtem Widerruf” (…) und rechneten das Schuldverhältnis zum 22.02.2016 wie folgt ab „Darlehensabrechnung nach erfolgtem Widerruf” …):

Kapitalforderung nach erfolgter Vollvalutierung

230.000,00 EUR

Sollzinsen 2,90% aus EUR 230.000,00 vom 21.10.2010 bis 22.02.2016

35.591,65 EUR

Forderung Darlehenswiderruf

265.591,65 EUR

abzgl. Erstattung bereits gezahlter Leistungsraten vom 01.11.2010 bis 01.02.2016

-143.176,75 EUR

abzgl. Erstattung Verzinsung auf bereits gezahlte Leistungen

-18.979,54 EUR

zzgl. Steuerabzug aus Verzinsung wg. kapitalertragssteuerpflichtigen Ertrag[s]

5.005,85 EUR

Restforderung aus Darlehenswiderruf zum 22.02.2016

108.441,21 EUR

Danach ergab sich ein Zahlungsanspruch der Bank in Höhe von 108.441,21 EUR, den der Kläger am 26.02.2016 bezahlte. Von der in der Darlehensabrechnung zugunsten des Klägers berücksichtigten „Erstattung Verzinsung auf bereits gezahlte Leistungen” (im Folgenden: Nutzungsersatz) in Höhe von 18.979,54 EUR behielt die Bank Kapitalertragsteuer in Höhe von 4.744,89 EUR sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 260,96 EUR ein (…).

In seiner Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger Kapitalerträge laut (sonstiger) Steuerbescheinigungen in Höhe von 11.560 EUR inklusive darin enthaltener Gewinne aus Aktienveräußerungen in Höhe von 619 EUR sowie ausländische Kapitalerträge in Höhe von 48...

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