Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn des Zinslaufs für die Verzinsung des Umsatzsteuererstattungsanspruchs des Bauträgers aus der Rückabwicklung der sog. Bauträgerfälle

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Bauträger die Änderung seines Umsatzsteuersteuerbescheids beantragt, weil entgegen der früheren Verwaltungsauffassung nach dem BFH-Urteil v. 22.8.2013 (Az.: V R 37/10) ein Bauträger keine Bauleistungen erbringt und der Kläger damit entgegen seiner Angaben in der Steuererklärung nicht Steuerschuldner als Leistungsempfänger von Bauleistungen i. S. d. § 13b UStG ist, und ändert darauf das FA nachträglich die Umsatzsteuerfestsetzung zugunsten des Bauträgers, so beginnt der Zinslauf für die Festsetzung von Erstattungszinsen nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Umsatzsteuer entstanden ist, und nicht etwa nach § 233a Abs. 2a AO aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses später.

2. Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Anspruchs des leistenden Bauunternehmers auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer an die Finanzbehörde ist weder ein rückwirkendes Ereignis noch eine aufschiebende Bedingung im Hinblick auf den Umsatzsteuererstattungsanspruch des Bauträgers. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Finanzverwaltung für die Nachzahlungszinsen beim leistenden Bauunternehmer den Antrag des Leistungsempfängers auf Erstattung der Umsatzsteuer als rückwirkendes Ereignis ansieht und auf diesem Weg die Zinspflicht des Bauunternehmers weitgehend beseitigt (vgl. BMF, Schreiben v. 31.7.2014, BStBl 2014 I S. 1073, Tz 16; v. 26.7.2017, BStBl 2017 I S. 1001, Tz 16).

3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben oder aus § 27 Abs. 19 UStG.

4. Die irrig angenommene Steuerschuld des Bauträgers entfällt nicht entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG erst aufgrund einer Zahlung der Umsatzsteuer an den Bauunternehmer.

 

Normenkette

UStG 2010 § 13b Abs. 5 S. 2, Abs. 2 Nr. 4, § 27 Abs. 19 Sätze 1-2, § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2; AO § 233a Abs. 2 S. 1, Abs. 2a, 3 S. 3, Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 124 Abs. 1, § 120 Abs. 2 Nr. 2

 

Tenor

1. Der Ablehnungsbescheid vom 27. Januar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2017 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, Erstattungszinsen in folgender Höhe festzusetzen:

Jahr

Betrag

2009

82.714 EUR

2010

79.143 EUR

2011

42.773 EUR

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 EUR festgesetzt, hat der Gläubiger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.

 

Tatbestand

Streitig ist, wann der Zinslauf für die Verzinsung des Umsatzsteuererstattungsanspruchs des Bauträgers aus der Rückabwicklung der sog. Bauträgerfälle beginnt.

Die Klägerin ist eine GmbH, die als Bauträgerin tätig ist. Sie erwirbt Grundstücke, lässt diese bebauen, teilt die Gebäude in Wohnungen auf und verkauft diese.

Die Klägerin, die ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuert, setzte in ihren ursprünglichen Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 die Bemessungsgrundlage i. S. von § 13b Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) für Bauleistungen an, die sie für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen verwendete. Die Beteiligten folgten dabei der damaligen Verwaltungsauffassung, nach der Unternehmer, die eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebauen (z.B. Bauträger), nur dann nicht nach § 13b UStG als Steuerschuldner für die von anderen Unternehmern an sie erbrachten Bauleistungen anzusehen waren, wenn sie ausschließlich Grundstücksgeschäfte tätigten, bei denen es sich nicht um Werklieferungen handelte (vgl. für die Streitjahre: Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen –BMF– vom 16. Oktober 2009, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2009, 2197, zu 7.). Hierzu zählte die Klägerin nicht.

Im Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128), nach dem § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG (bis zum 30. Juni 2010: § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG) einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass es für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet, berichtigte die Klägerin am 17. Dezember 2014 ihre Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011. Nunmehr berücksichtigte sie die Leistungen, die sie nach §...

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