Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 07.06.1993; Aktenzeichen 2 BvR 1148/92)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Zahlung des Grundstücksnachbarn nach § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) versteuert werden muß.

Die Kläger (Kl) sind Eigentümer eines von ihnen bis 1986 selbst bewohnten Zweifamilienhauses. Sie wurden für das Streitjahr 1984 mit Bescheid vom 19. Juli 1985 entsprechend ihrer Erklärung mit einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von DM 3.163,– und einer Einkommensteuer (ESt)-Schuld in Höhe von DM 0,– veranlagt. Durch eine Kontrollmitteilung wurde dem Beklagten (Bekl) bekannt, daß der Kl im Jahre 1984 einen Betrag in Höhe von DM 130.000,– für die Zurücknahme seines Widerspruchs gegen das Bauvorhaben des Nachbarn erhalten hat. Auf die Vereinbarung vom 12. Juni 1984 wird wegen der Einzelheiten verwiesen (Bl. 33–35 FG-Akten). Daraufhin erließ der Bekl einen nach § 173 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid vom 8. April 1986 über ESt für 1984 mit einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von DM 131.250,– und einer Steuerschuld in Höhe von DM 45.744,–.

Mit dem Einspruch vom 5. Mai 1986 machten die Kl geltend, durch die beabsichtigte gewerbliche Bebauung des Nachbargrundstücks seien sie in ihrem Eigentum schwer und unerträglich getroffen. Die Gemeinde sei gewillt gewesen, den Bebauungsplan zu ändern, um den Obstgroßmarkt zur Sicherung von Arbeitsplätzen auf dem Nachbargrundstück zu ermöglichen. Dies hätte zu einem Entschädigungsanspruch nach dem Bundesbaugesetz geführt. Sie hätten es vorgezogen, sich durch zivilrechtliche Vereinbarung vom Nachbarn entschädigen zu lassen. Die Entschädigung sei durch Vergleich der Verkehrswerte ihres Grundstücks vor der Durchführung ihres Bauvorhabens mit demjenigen nach Durchführung des Bauvorhabens ermittelt worden und entspreche ca. 30 % des Verkehrswerts des Grundstücks vor Durchführung des Bauvorhabens. Da es sich demnach um eine bodenrechtlich relevante Beeinträchtigung des Grundstücks gehandelt habe, sei eine steuerfreie Entschädigung für Substanzverlust anzunehmen.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 1987 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß nach § 22 Nr. 3 EStG das Entgelt für jedes Tun, Unterlassen oder Dulden steuerpflichtig ist, ausgenommen Veräußerungsvorgänge und veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird. Im Streitfall sei das Entgelt für die Rücknahme des Widerspruchs gegen das Bauvorhaben gezahlt worden, nicht für die Aufgabe von Vermögenssubstanz.

Mit der Klage vom 16. April 1987 tragen die Kl vor, östlich ihres Wohngrundstücks – durch einen Grundstücksstreifen getrennt – liege das Betriebsgelände eines Obstgroßmarktes. Der Betriebsinhaber habe 1982 oder 1983 das südlich an ihr eigenes Wohngrundstück angrenzende Mehrfamilienhaus hinzuerworben, für welches er einen Bauantrag zur Betriebserweiterung bei der Baubehörde gestellt habe, der auch genehmigt worden sei. Gegen die Baugenehmigung und die Anordnung des Sofortvollzugs hätten sie sich an das Verwaltungsgericht … gewandt, welches dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben habe. Die Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückgewiesen. Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung seien damit begründet worden, daß die Situation eine entsprechende Bebauungsplanfortschreibung erfordere. Dabei müsse die Beeinträchtigung im Wohneigentum nicht entschädigungslos hingenommen werden. Die Gemeinde habe wegen der Bedeutung des Obstgroßmarktes für die Vermarktung der örtlichen Erzeugnisse, für die Erhaltung der Arbeitsplätze und der Wirtschaftsstruktur und unter Berücksichtigung des Umweltschutzes die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen und ihr Einvernehmen entsprechend § 44 a Bundesbaugesetz erklärt, daß über die vom Nachbarn zu bezahlende Entschädigung bei Verwirklichung des Bauvorhabens direkt zwischen dem Nachbarn und ihnen verhandelt werde. Diese Verhandlungen hätten zu der erwähnten Entschädigung geführt. Die Akten des Verwaltungsgerichts … und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg … – auf die verwiesen werde – würden diesen Sachverhalt belegen. Daraus folge, daß in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Verwirklichung eines Bauvorhabens des Nachbarn zu einer schweren und unerträglichen Beeinträchtigung führe, der Wertausgleich nicht steuerpflichtig sei. Eine andere Auslegung des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG verstoße gegen Art. 14 Grundgesetz. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 15. April, 18. Mai 1987 und 21. Juni 1991 verwiesen.

Die Kl beantragen,

den geänderten ESt-Bescheid für 1984 vom 8. April 1986 und die Einspruchsentscheidung vom 16. März 1987 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu er...

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