Leitsatz

1. Aufwendungen eines Erzielers von Gewinneinkünften für regelmäßige Pkw-Fahrten zu seinem einzigen Auftraggeber sind nur i.H.d. Entfernungspauschale als Betriebsausgaben abziehbar.

2. Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist – abweichend von § 12 AO – bei einem im Wege eines Dienstvertrags tätigen Unternehmer, der nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt, der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden (Bestätigung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung).

3. Betrieblich genutzte Räume, die sich in der im Übrigen selbstgenutzten Wohnung des Steuerpflichtigen befinden, können wegen ihrer engen Einbindung in den privaten Lebensbereich nicht als Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angesehen werden.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, § 12 AO

 

Sachverhalt

Der gewerblich tätige Kläger hatte im Streitjahr 2008 lediglich einen einzigen Auftraggeber. Er suchte dessen Betrieb an vier bis fünf Tagen wöchentlich auf; weitere betriebliche Tätigkeiten führte er in Räumen des von ihm und seiner Lebensgefährtin bewohnten Einfamilienhauses aus.

Das FA erkannte für die Fahrten zwischen dem Einfamilienhaus und dem Betrieb des Auftraggebers nur die Entfernungspauschale gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale vom 20.4.2009 (BGBl I 2009, 774) an. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des VI. Senats statt und setzte die Pkw-Kosten in voller Höhe an (FG Düsseldorf, Urteil vom 19.2.2013, 10 K 829/11 E, Haufe-Index 3677055, EFG 2013, 765).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG, da noch geklärt werden muss, ob die vom Kläger im Einfamilienhaus genutzten Räume als häusliches Arbeitszimmer oder als Betriebsstätte anzusehen waren.

 

Hinweis

1. Mit diesem Urteil hat der X. Senat die bisherige Rechtsprechung der für die Gewinneinkünfte zuständigen Senate zum Begriff der "Betriebsstätte" bestätigt und entschieden, dass auch regelmäßige Fahrten eines Betriebsinhabers zwischen seinem häuslichen Büro und dem Sitz seines einzigen Auftraggebers "Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte" darstellen. In diesen Fällen werden die Fahrtkosten einkommensteuerlich gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur mit der sog. Entfernungspauschale steuerlich berücksichtigt.

2. Diese Definition der Betriebsstätte weicht zwar vom allgemeinen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO ab, der eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung voraussetzt; die normspezifische Gesetzesauslegung ist jedoch im Hinblick auf den mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG verfolgten Zweck geboten, die Bezieher von Gewinneinkünften in Bezug auf regelmäßige Fahrten mit Arbeitnehmern gleichzustellen (siehe z.B. BFH, Urteil vom 13.7.1989, IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23).

3. Der VI. Senat hatte in seiner jüngeren Rechtsprechung für die Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit allerdings angenommen, regelmäßige Arbeitsstätte könne nur eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, nicht aber die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers sein. Dies sollte selbst dann gelten, wenn der Arbeitnehmer jahrzehntelang ausschließlich in derselben Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers tätig wurde (BFH, Urteil vom 13.6.2012, VI R 47/11, BFH/NV 2012, 1861), sodass ein Arbeitnehmer in derartigen Fällen die tatsächlichen Fahrtkosten abziehen konnte.

4. Mit diesem Urteil akzeptiert der X. Senat für Betriebsinhaber (für die Zeit bis einschließlich 2013, s.u.) eine Einschränkung der Abzugsmöglichkeiten im Vergleich zu Arbeitnehmern, sofern diese mit dem Pkw gefahren sind, da die tatsächlichen Pkw-Kosten die Entfernungspauschale übersteigen. Für Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel konnte sich hingegen in den Fällen eine Verbesserung ergeben, in denen die Entfernungspauschale über den tatsächlichen Kosten lag.

5. Als Reaktion auf die Rechtsprechung des VI. Senats existiert seit dem 1.1.2014 in § 9 Abs. 4 EStGeine gesetzliche Definition der "ersten Tätigkeitsstätte", durch die die Grundsätze der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des VI. Senats überholt sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.10.2014 – X R 13/13

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